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Warum der Fußball mehr Politik braucht

Wie kann der Fußball wieder spannender werden? Damit hat sich der Sozialdemokrat Steffen Löhr in einem Buch befasst. Er meint, dass der Kommerz begrenzt und Fans stärker beteiligt werden sollten. Eine wichtige Rolle kann auch die Politik spielen.
von Jonas Jordan · 13. September 2022
Wie muss sich der Fußball verändern? Fannähe ist ein zentraler Aspekt, sagt Buch-Autor Steffen Löhr.
Wie muss sich der Fußball verändern? Fannähe ist ein zentraler Aspekt, sagt Buch-Autor Steffen Löhr.

Der Titel Ihres Buches lautet: „Der Fußball braucht mehr Geld oder andere Regeln“. Wie kommen Sie zu dieser These?

Die fünf großen Ligen in Europa – England, Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich –versuchen die Umsätze der Vereine immer weiter zu steigern. Die Frage ist, ob man am Regelwerk etwas verändert, dass sich diese Spirale nicht weiterdreht. Deshalb haben wir den Titel bewusst so provokant gewählt. Ansonsten stellt sich auch in Deutschland früher oder später die Frage, wie man Investoren noch stärker ins Boot holen kann. Wir zeigen im Buch auf, dass es nicht nur in Leverkusen, Hoffenheim oder Leipzig Einfluss von Investoren gibt, sondern auch in Augsburg oder beim Hamburger SV.

Über andere Regeln wurde während der Corona-Pandemie sehr intensiv diskutiert. Es gab eine Task Force Profifußball, in der auch SPD-Politiker wie Lars Klingbeil oder Martin Schulz vertreten waren. Könnte daraus auch eine Veränderung entstehen?

Das ist eine der Kernfragen, die wir uns im Buch stellen. Ich habe die Entwicklung der Task Force intensiv verfolgt und fand die Besetzung sehr gut, weil sie breit die verschiedenen Bereiche abgedeckt hat. Die Ergebnispapiere fand ich sehr gelungen. Die Umsetzung gestaltet sich jedoch schwierig. Die DFL will sich verschiedenen Themenbereichen nacheinander widmen, angefangen mit dem Bereich Nachhaltigkeit. Auch weil sich viele Vereine diesem Thema ohnehin schon widmen. Insofern hat man den Weg des kleinsten gemeinsamen Nenners gewählt. Alles darüber hinaus stelle ich mir sehr schwierig in der Umsetzung vor.

Andere Ligen sind weiter. In Spanien wurde bereits ein „salary cap“, also eine Gehaltsobergrenze für Vereine, eingeführt. Könnte das auch ein Modell für Deutschland sein?

Absolut. Ich könnte mir das durchaus vorstellen. Die Frage ist, wie es umgesetzt würde, worauf man sich innerhalb der DFL einigen und ob man dafür Mehrheiten finden könnte. Als Politik, aber auch als Gesellschaft könnte man noch stärker Einfluss nehmen, um Themen zu setzen. In den USA gibt es im Basketball oder im Eishockey Play-Offs oder ein Draftsystem für Talente – Modelle, die man gewählt hat, um mehr Gleichheit und mehr Wettbewerb in den Ligen zu schaffen.

Sollte sich die Politik grundsätzlich mehr einmischen, so wie es Bundeskanzler Olaf Scholz mit seiner Forderung nach gleicher Bezahlung von Männern und Frauen im Fußball getan hat?

Die DFL ist sich bewusst, dass sie politische Akteure einbinden sollte. Das hat die Besetzung der Task Force zur Zukunft des Profifußballs gezeigt. In diesem Gremium gab es eine breite Präsenz des politischen Raums. Der politische Raum könnte mehr Einfluss nehmen. Die Anregung von Themen, so wie es Olaf Scholz getan hat, könnte durchaus positiv wirken. Doch eigentlich bräuchte es zur Steuerung des Wettbewerbs insbesondere die europäische Ebene. Wichtig wäre natürlich aber ein gemeinsames Agieren zwischen Fans, Funktionären und Politik.

In Deutschland zeichnen sich Vereine wie der FC St. Pauli oder Union Berlin durch große Fannähe aus. Wie groß ist dieser Faktor?

Fannähe ist ein zentraler Aspekt. Vereine mit großer Fannähe profitieren automatisch davon, durch höhere Zuschauerzahlen und ein größeres Interesse. Auch die neutralen Fußballzuschauer zu Hause vor dem Fernseher haben ein gutes Gespür dafür. In der vergangenen Saison haben viele Leute die Spiele von Eintracht Frankfurt in der Europa League eingeschaltet, nicht nur, weil es sportlich spannend war, sondern auch wegen der Fans. Während der Corona-Zeit hat man gesehen, dass dem Fußball ohne Fans ein zentrales Element fehlt. Dann schalten nicht mehr so viele Zuschauer ein und die Bindung zum Verein lässt nach. Am Beispiel von RB Leipzig sieht man zudem, dass sich Fannähe nicht künstlich aufbauen lässt.

Provokant gefragt: Ist mit dem Titel des Buches nicht auch eine nostalgische Verklärung der „guten alten Zeit“ verbunden, als die Fans noch Einfluss hatten und es keinen Kommerz gab?

Viele Dinge haben sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Das stimmt. Beim Kampf gegen Rassismus hat sich viel bewegt, die Hooligan-Szene wurde aus den Stadien vertrieben. Auch beim Gewaltproblem in den Stadien hat sich viel getan. Zugleich hat der Kommerz in der Bundesliga zu-, die Spannung abgenommen. Hier erkennt man eine Tendenz in eine Richtung, die einem nicht so viel Freude bereitet. Ich kenne niemanden, der die Deutsche-Vermögensberatung-Halbzeitanalyse bei Sky in der 2. Bundesliga positiv bewertet. Trotzdem schauen eine Menge Leute zu. Da erkennen wir bei vielen Fußballfans eine gewisse Schizophrenie. Das ist im Grunde auch die Kernfrage des Buches und zugleich der Appell an die Fans: Organisiert euch, formiert euch und formuliert Thesen! Nur so könnte es Veränderungen geben. Denn im Fußball kann man durchaus Dinge verändern kann, durch Engagement, durch Professionalisierung und auch durch politisches Einbringen in diesem Bereich. Der Fußball könnte mit positivem Beispiel vorangehen und die Grenzen des Kommerzes setzen.

Wer sollte diese Veränderungen anstoßen?

Der Ball liegt bei allen Akteuren. Deswegen richtet sich das Buch genauso an ein fußballinteressiertes Publikum wie an Funktionäre sowie Presse und Medien. Wir würden gerne dieses Thema breiter diskutieren wollen, auch mit der politischen Ebene. Auch innerhalb der Sozialdemokratie haben wir viele Fußballfans, bis hin zum DFB-Präsidenten.

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Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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