Inland

Warum das Umweltbundesamt Obst von der Mehrwertsteuer befreien will

Seit Monaten steigen die Preise von Energie und damit auch von Nahrungsmitteln. Das Umweltbundesamt schlägt deshalb vor, die Mehrwertsteuer auf bestimmte Lebensmittel zu streichen – und hat dabei einen Hintergedanken.
von Kai Doering · 9. Juni 2022
Bald keine Mehrwertsteuer mehr auf Obst und Gemüse? Das Umweltbundesamt fände es sinnvoll.
Bald keine Mehrwertsteuer mehr auf Obst und Gemüse? Das Umweltbundesamt fände es sinnvoll.

Was tun gegen die immer weiter steigenden Preise von Energie und Lebensmitteln? Nachdem die Bundesregierung zwei Entlastungspakete im Umfang von 30 Milliarden Euro auf den Weg gebracht hat, macht nun das Umweltbundesamt (UBA) Vorschläge für weitere Entlastungen. Die Behörde will die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Grundnahrungsmittel wie Obst, Gemüse, pflanzliche Öle und Getreideprodukte streichen. Bisher muss hierfür der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent entrichtet werden.

Entlastung von vier Milliarden Euro pro Jahr

Nach Berechnungen des UBA würden private Haushalte auf diese Weise um rund vier Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Auch die Kosten für Fahrten mit dem Öffentlichen Personennahverkehr will das Umweltbundesamt mit einer Streichung der Mehrwertsteuer reduzieren. Hier geht die Behörde von Entlastungen von etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr aus. „Die Mehrwertsteuerbefreiung für den öffentliche Verkehr ist eine gute Ergänzung für das von der Bundesregierung beschlossene 9-Euro-Ticket“, ist der Präsident des Umweltbundesamtes Dirk Messner überzeugt.

Die vorgeschlagene Streichung der Mehrwertsteuer auf bestimmte Produkte ist Teil des „Entlastungspakets Klima und Umwelt“, das Messner am Donnerstag vorgestellt hat. Es sieht zudem vor, dass auch Solaranlagen in der Anschaffung von der Mehrwertsteuer befreit werden. Wer seine Heizung optimiert oder defekte Geräte reparieren lässt, statt sie zu entsorgen, soll auf diese Dienstleistung künftig nur noch den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent zahlen. Bisher werden darauf 19 Prozent Mehrwertsteuer erhoben.

Ökonom Horn ist skeptisch

„Was umweltfreundlich ist, sollte günstiger werden, was umweltschädlich ist, darf der Staat nicht länger mit zu niedrigen Steuern subventionieren“, nannte Messner den ökologischen Hintergedanken der Entlastungsvorschläge. Diese sorgten „sofort für eine Entlastung der Haushaltskassen“ und schützten gleichzeitig die Umwelt. Auch profitierten davon Menschen, die in den Entlastungspaketen der Bundesregierung weniger begünstigt würden, etwa Rentner*innen. Im Gegenzug soll nach den Vorstellungen des UBA „zu einem späteren Zeitpunkt“ der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Fleisch und andere tierische Produkte erhoben werden. Bislang werden hier wie bei den meisten Lebensmitteln sieben Prozent fällig.

Der Vorsitzende des wirtschaftspolitischen Beirats der SPD, der Ökonom Gustav Horn, hatte sich kürzlich in einem Gastbeitrag auf vorwärts.de gegen eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel ausgesprochen. „Ein großes Problem ist, dass die Steuersenkung unter den gegenwärtigen Umständen nicht oder zumindest anfänglich nicht vollständig an die Kund*innen weitergegeben wird, sondern als zusätzlicher Gewinn in den Taschen der Anbieter landet“, befürchtet Horn. „Eine solche Steuersenkung ist daher nur wie ein begrenztes und schlecht kontrolliertes Tempolimit, das die Geschwindigkeit des Preisanstiegs allenfalls kurzeitig unterbricht.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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