Warum das Fracking-Gesetz verschoben wird
Die große Koalition hat die ursprünglich für Freitag geplante Verabschiedung des Fracking-Gesetzes auf den Herbst verschoben. Warum?
Die SPD sieht bei wichtigen Punkten noch Gesprächsbedarf, bevor ein Fracking-Gesetz verabschiedet werden kann. Barbara Hendricks und Sigmar Gabriel haben im vergangenen Jahr ein gutes Eckpunktepapier zum Fracking vorgelegt. Darin war festgeschrieben, dass wir wissenschaftlich begleitet und in sehr begrenztem Umfang Probebohrungen genehmigen – bei maximalem Schutz von Mensch und Natur. Auf Grundlage dieser Bohrungen sollte der Bundestag entscheiden, ob es kommerzielles Fracking in Deutschland gibt oder nicht. Dieses Verfahren ist auch so im Koalitionsvertrag mit der Union festgeschrieben. Offenbar haben aber nun einzelne Energie-Unternehmen klar gemacht, dass sie auf dieser Grundlage keine Investitionssicherheit sehen. Deshalb haben sich Vertreter der CDU um Peter Altmaier überlegt, dass eine Expertenkommission und nicht der Bundestag entscheiden sollte, ob und wo gefrackt wird. Das geht nicht! Mit der SPD wird es kein Gesetz geben, in dem eine Expertenkommission den Bundestag ersetzt. Auch bei der Anzahl der geplanten Probebohrungen sind wir uneins: CDU und CSU wollen 16, die SPD nur zwei. Außerdem plädieren wir klar dafür, dass die Länder beteiligt werden und die Entscheidung für Bohrungen nicht über ihre Köpfe hinweg gefällt wird. All dies hat uns bewogen, uns weitere Zeit zu nehmen, um wichtige Punkte zu besprechen und Gegensätze auszuräumen. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.
Sie haben es bereits angesprochen: Die SPD möchte, dass der Bundestag über das kommerzielle Fracking entscheidet. CDU und CSU bevorzugen eine Expertenkommission. Warum plädieren Sie fürs Parlament?
Der Bundestag trägt die Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern. Die können wir nicht abschieben an irgendeine Kommission. Wissenschaftler können und sollen uns Abgeordnete beraten, aber nicht an unserer Stelle entscheiden. Die Union muss sich da auch endlich ehrlich machen. In den Wahlkreisen gibt es auch bei CDU und CSU viele Abgeordnete, die sich gegen eine Expertenkommission aussprechen. In ihrer Verhandlungsgruppe sitzen dagegen nur absolute Fracking-Befürworter, die sich vor allem für die Interessen von ExxonMobil einsetzen. Ich hoffe sehr, dass wir mit der Verschiebung der Abstimmung auch die nötige Zeit gewinnen, den Nachdenkprozess innerhalb der Union zu unterstützen.
Mit der Energiewende setzt die Bundesregierung eigentlich ja auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Warum treibt sie mit dem Fracking das Gegenteil voran?
Darüber lohnt es sich nachzudenken. Ich persönlich glaube nicht, dass wir Fracking in Deutschland brauchen. Im Moment werden zehn Prozent des Erdgases, das wir hierzulande verbrauchen, in Deutschland gefördert. 90 Prozent kommen aus dem Ausland. Dieses Verhältnis würde in etwa auch so bleiben, wenn wir Fracking erlauben. Fracking hätte also kaum Auswirkungen auf die Energiesicherheit und die Preisentwicklung. Trotzdem können wir Fracking erproben. In einigen Jahren oder Jahrzehnten könnte es als letzte Brücke zum Zeitalter der Erneuerbaren Energien durchaus attraktiv sein. Wir haben aber Zeit und sollten uns diese auch nehmen, um Chancen und Risiken sinnvoll abzuwägen. Für Zeitdruck besteht überhaupt kein Grund.
Fracking-Gegner feiern die Verschiebung der Abstimmung bereits als Sieg und Ende des Frackings. Kann es passieren, dass das Gesetz am Ende gar nicht verabschiedet wird?
Die Union hat uns die Pistole auf die Brust gesetzt und gedroht: Wenn es keine Verabschiedung vor der Sommerpause gibt, dann gibt es gar kein Gesetz. Sie wollten Druck aufbauen, damit das Gesetz mit der Expertenkommission als EntscheidUNGSGREMIUM verabschiedet wird wie es vor allem ExxonMobil möchte. Das ist erst einmal abgewendet. Die Freude der Umweltverbände kann ich deshalb nachvollziehen. Die SPD will ein Gesetz, um die bisherige Erdgasförderung in Deutschland ordentlich zu regeln. Darüber gibt es schon großes Einvernehmen mit CDU und CSU. Und wir wollen ein Gesetz, um Fracking in Schiefergestein zu verbieten, mit der kleinen Ausnahme von zwei Probebohrungen. Wir wollen also das Gesetzt, allerdings nicht um jeden Preis. Aus meiner Sicht ist es die beste Lösung, die konventionelle Erdgas-Förderung und das Fracking a la USA in zwei unterschiedlichen Gesetzespaketen zu regeln. Gute Regelungen für die Erdgasförderung, etwa in Niedersachsen, braucht es jetzt. Aber klar bleibt: Eine Umgehung des Bundestags durch eine Expertenkommission ist in keinem Fall akzeptabel!
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Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.