Warum auch Freiberufler und Beamte in die Rentenkasse einzahlen müssen
Michael Gottschalk/photothek.net
Die Rentenversicherung ist eine Arbeitnehmer-Versicherung. Beitragspflicht und Versicherungsschutz sind an den Arbeitnehmerstatus geknüpft. Selbstständige und Freiberufler müssen sich, bis auf einige Ausnahmen, privat für das Alter absichern. Zudem verfügen Teile der Selbstständigen und Freiberufler, etwa Ärzte, Anwälte oder Notare, über eigene Versorgungswerke. Und Beamte erhalten nach ihrem Ausscheiden aus dem Staatsdienst eine steuerfinanzierte Pension, die durch eine Alimentierungspflicht des Staates begründet wird. Doch diese Konstruktion passt nicht mehr so recht in die heutige Zeit. Sie leidet an zwei sozialpolitischen Achillesfersen:
Rentenversicherung auf alle Beschäftigten ausdehnen
So erzeugt der verengte Zuschnitt auf den Arbeitnehmer-Status angesichts veränderter Arbeitsmarktentwicklungen und neuer Lebensstile wachsende Sicherungslücken. Arbeitslosigkeit und Niedrigeinkommen sowie nicht sozialversicherte Formen abhängiger Arbeit nehmen zu. Doch wer längere Zeit arbeitslos ist, wenig verdient oder gar nicht rentenversichert ist, kann keine ausreichenden Anwartschaften auf eine auskömmliche Rente aufbauen. In der Arbeitnehmer-Rentenversicherung ist ein hinreichender Risikoschutz an eine kontinuierliche, ausreichend entlohnte und sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit gebunden.
Hier besteht dringlicher Handlungsbedarf. Sollen die genannten Personengruppen nicht in Altersarmut und in der steuerfinanzierten Grundsicherung landen, muss der Versicherungsschutz auf die Beschäftigtengruppen ausgedehnt werden, die bislang aufgrund geringfügiger Beschäftigung oder formeller Selbstständigkeit nicht oder unterwertig versorgt werden. Das läuft darauf hinaus, die Rentenversicherung zu einer allgemeinen Erwerbstätigenversicherung weiterzuentwickeln, in die alle Formen von Erwerbstätigkeit, also auch Beamte und Parlamentarier, schrittweise einbezogen werden. Das wäre gerechter und würde alle an der Stabilisierung der sozialen Rentenversicherung beteiligen.
Hohe Einkommen entziehen sich dem Solidarsystem
Doch hier wird die zweite Achillesferse sichtbar. Viele Freiberufler entziehen sich aktiv der Solidargemeinschaft. Sie sind in Sonderversorgungssystemen versichert. Sie haben durchschnittlich recht hohe Einkommen und stellen versicherungsmathematisch eher „gute Risiken“ dar. So lange sie nicht einbezogen werden, entgehen der Rentenversicherung Finanzmittel. Diese fehlen für interne Solidarausgleiche und die Unterstützung derjenigen, die nicht aus eigener Kraft für eine hinreiche Absicherung sorgen können. Aber das ist ein unverzichtbares Element einer Sozialversicherung. Hier müssen sich Gesellschaft und Politik entscheiden: Aufrechterhaltung eines Privilegien-Systems für wenige oder Aufbau und Stabilisierung eines Solidarsystems für alle. Das Votum der Gewerkschaften heißt: Erwerbstätigenversicherung!
Aus Sicht der Beamten wird mitunter gewarnt: die heutigen Beamtenbesoldungen seien nicht auf die Zahlung von Rentenbeiträgen ausgelegt. Müssten solche zukünftig errichtet werden, käme es zu unzumutbaren Belastungen. Die Antwort liegt auf der Hand: Wenn zukünftige Beamtengenerationen ohne unzumutbare Einbußen beitragspflichtig werden sollen, müsste die Besoldung entsprechend angepasst werden. Das sollte machbar sein.
Also: Mehr Solidarität durch eine Erwerbstätigenversicherung statt Sozialabbau bei Rente? Geht das? Wenn der politische Wille da ist, ja! Unser Nachbar Österreich hat es vorgemacht.
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