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Warum arbeiten bis 69 die Lösung des Rentenproblems sein soll

Die Renten-Debatte nimmt weiter Fahrt auf: Regierungskreise warnen vor einem drastischen Einbruch des Rentenniveaus. Und der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums möchte das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln.
von Yvonne Holl · 29. September 2016
Rentnerin an der Kasse.
Rentnerin an der Kasse.

Viel höhere Beiträge oder viel weniger Geld auf dem Konto der Rentner, so könnte die Zukunft aussehen. Dies zumindest legen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums nahe. Demnach würde das Rentenniveau bis 2045 von derzeit knapp 48 Prozent des Durchschnittslohns auf rund 41 Prozent fallen.  Sollte umgekehrt das Rentenniveau von heute beibehalten werden, müsste der Beitragssatz zur Rentenversicherung von derzeit 18,7 auf 26,4 Prozent ansteigen.

Nahles will Renten-Konzept im November vorlegen

Aus Regierungskreisen kommt deshalb die Forderung nach „einer Haltelinie“ für das Rentenniveau und einem „passgenauen Gesamtkonzept“. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles führt derzeit mit Experten und Sozialpartnern den sogenannten Rentendialog. Ende November will sie ein Konzept vorlegen, wie die Rente zukunftsfest gemacht werden kann.

Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sie sich bereits auf eine Neuauflage der Betriebsrente geeinigt. Ein Gesetzentwurf wird für die kommenden Wochen erwartet. In die Debatte hat sich jetzt ein sonst eher zurückhaltendes Gremium eingemischt: Der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums legte ein Gutachten zur „Nachhaltigkeit in der sozialen Sicherung über 2030 hinaus“ vor. Im Kern werden die Zahlen aus dem Arbeitsministerium bestätigt: „Wenn jetzt nicht reagiert wird, drohen irgendwann plötzliche und gravierende Einschnitte für die Beitragszahler“, warnte Friedrich Breyer.

Schuld ist der Demografische Wandel

Die Ursache der Probleme rund um die Rente machen die Experten in der demografischen Verschiebung aus: Weil die Zahl der Alten stark zunehmen wird und die Zeit des Rentenbezugs auch steigt, verschiebt sich das Verhältnis von Einzahlern und Beziehern ungünstig.

Die Lösung sieht der Wissenschaftliche Beirat in einer festen Formel, nach der künftig das Renteneintrittsalter berechnet werden soll. Bei steigender Lebenserwartung solle sich auch das Renteneintrittsalter nach hinten verschieben, und zwar im Verhältnis 2:1, also bei drei Jahren mehr Lebenserwartung müssten die Menschen dann zwei Jahre länger arbeiten und könnten ein Jahr länger den Ruhestand genießen.

Arbeiten bis 69?

Es gehe darum, „die Proportionen des Lebens“ einzuhalten, so Beirats-Experte Axel Börsch-Supan. Im Jahr 2045 läge das Renteneintrittsalter dann bei 69 Jahren, gefolgt von 24 Jahren Rentenbezug. Zum Vergleich: Nach derzeitiger Gesetzeslage wird 2031 die Rente mit 67 Jahren beginnen.

Der Expertenrat sieht den großen Vorteil des Modells in seiner Verlässlichkeit. Das Renteneintrittsalter läge nicht im Ermessen wechselnder Bundesregierungen. Nachhaltigkeit und Planbarkeit seien das Ziel. Die Dynamisierung gewährleiste ein Rentenniveau in etwa der heutigen Höhe – weil viele länger einzahlen.

Lösung für Solo-Selbständige wird noch gesucht

Eine Anhebung des Rentenniveaus für alle, wie von Sozialverbänden dieser Tage gefordert, lehnen die Wissenschaftler ab. Das sei viel zu teuer und würde auch die unterstützen, die genug Geld hätten und nicht nur die Bedürftigen.

Altersarmut müsse gezielt durch Maßnahmen für einzelne, besonders betroffene Gruppen bekämpft werden. Dabei haben die Experten besonders die Solo-Selbstständigen, als Selbstständige ohne Mitarbeiter, im Auge. Eine Gruppe, die auch Arbeitsministerin Nahles besondere Sorgen macht und im künftigen Konzept berücksichtigt werden soll.

Gabriel folgt Renten-Vorschlägen nicht

Beiratsvorsitzender Hans Gersbach machte keinen Hehl daraus, dass der Hausherr, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, wenig Begeisterung zeigte: Der Minister nehme die vom Beirat geschilderte Problematik ernst und begrüße auch die Vorschläge zur Bekämpfung von Altersarmut. Zentralen Vorschläge des Gutachtens, wie der 2:1-Regel zum Rentenbeginn, folge er aber nicht.

Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

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