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Warum 12 Euro Mindestlohn auch gut für die Wirtschaft sind

Die SPD will den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen. Nicht finanzierbar, kritisiert die Wirtschaft. Dabei würde auch sie von höheren Löhnen profitieren.
von Alexander Herzog-Stein · 4. Februar 2020
Gut für alle: Von einem höheren Mindestlohn profitieren nicht nur Arbeitnehmer*innen, er kurbelt auch die Wirtschaft an.
Gut für alle: Von einem höheren Mindestlohn profitieren nicht nur Arbeitnehmer*innen, er kurbelt auch die Wirtschaft an.

Der gesetzliche Mindestlohn ist fünf Jahre alt und eine echte Erfolgsgeschichte. Er hat die Löhne und Einkommen von Millionen Beschäftigten merklich erhöht, ohne dass es zu nennenswerten Jobverlusten gekommen ist. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nahm dank der guten Konjunktur in der Zeit um mehr als drei Millionen Personen zu. Aktuell findet eine Diskussion über die richtige Höhe des gesetzlichen Mindestlohns statt. Die SPD hat auf Ihrem Bundesparteitag 2019 „… die perspektivische Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro“ beschlossen. Laut einer Umfrage von infratest dimap im Rahmen des ARD-Deutschlandtrend im Februar 2019 halten vier Fünftel der Bevölkerung eine Erhöhung auf 12 Euro für richtig.

12 Euro Mindestlohn: ambitioniert, aber machbar

Eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro ist ambitioniert, aber machbar. Der Mindestlohn ist seit seiner Einführung, die damals eine durchschnittliche Lohnerhöhung um 18 Prozent für die Betroffenen bedeutete, um weitere zehn Prozent gestiegen. Eine Anhebung auf 12 Euro würde heute einen Anstieg um gut 28 Prozent bedeuten. Allerdings würde es nach dem bislang angewendeten Anpassungsmodus eine lange Zeit brauchen, um das Niveau von 12 Euro zu erreichen.

Nach Berechnungen von Thorsten Schulten und Toralf Pusch vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) würden – je nach Datenquelle – zwischen neun und elf Millionen Beschäftigte davon profitieren. Eine solche Anhebung auf 12 Euro muss gut vorbereitet werden und in mehreren Schritten über einen angemessenen Zeitraum erfolgen. Die Phase bis heute umfasste immerhin eine Zeitspanne von fünf Jahren.

Dies schafft Planungssicherheit und ermöglicht den Tarifparteien – soweit notwendig – bestehende Tarifverträge entsprechend anzupassen. Zugleich stellt man so sicher, dass die Anhebung auf 12 Euro nicht negativ auf die Beschäftigung wirkt und sich positive gesamtwirtschaftliche Effekte einstellen können.

Mindestlohn bedeutet Wirtschaftswachstum

Die Mindestlohneinführung 2015 hatte damals einen direkten Effekt auf die Bruttolohnsumme in einer Größenordnung von gut fünf Milliarden Euro. Hinzu kam ein sogenannter Spillover-Effekt auf die Löhne oberhalb des Mindestlohns in ähnlicher Höhe. Im Rahmen eines Gutachtens für die Mindestlohnkommission unter Federführung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zeigten Untersuchungen mit dem makroökonometrischen Modell des IMK, dass die Mindestlohneinführung den privaten Konsum gesteigert und so das Wirtschaftswachstum angeregt hat. Dieser Effekt fiel deutlich aus, weil vor allem Personen mit einer geringen Sparquote von der Mindestlohneinführung profitierten und der Staat in der Phase die zusätzlichen Einnahmen weitgehend verausgabt haben dürfte.

Unter der Annahme einer schrittweisen Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro kann man mittels einer einfachen Überschlagsrechnung die Größenordnung des direkten Lohneffekts ermitteln. Bei einer Betroffenheit von neun bis elf Millionen Beschäftigten und der vereinfachenden Annahme, dass die durchschnittliche Arbeitszeit der von der Anhebung betroffenen Personen etwa gleich hoch bleibt und es zu einer weiteren Reduzierung der Minijobs zugunsten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung kommt – ähnlich wie bei der Mindestlohneinführung 2015 –, dürfte der direkte Lohneffekt der Mindestlohnanhebung auf 12 Euro in etwa zwischen 27 und 33 MilliardenEuro liegen und damit etwa doppelt so groß sein wie der Effekt der Mindestlohneinführung 2015 zusammen mit dem damals ausgelösten Spillover-Effekt und den anschließenden weiteren Anhebungen der letzten Jahre.

Damit dürfte langfristig der reale private Konsum um 1,4 bis 2,2 Prozent höher und die reale Wirtschaftsleistung um 0,5 bis 1,3 Prozent größer ausfallen, in Abhängigkeit von dem Grad, wie die öffentliche Hand die Mehreinnahmen wieder ausgibt. Insgesamt ist eine schrittweise Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro aus gesamtwirtschaftlicher Sicht positiv zu bewerten und würde für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, die heute zu niedrigen Löhnen arbeiten, eine echte Verbesserung darstellen.

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Alexander Herzog-Stein

ist Referatsleiter Makroökonomische Arbeitsmarktforschung am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und Honorarprofessor an der Universität Koblenz-Landau.

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