Inland

Wahlkampf vor der Wahlarena

von Susanne Dohrn · 21. Mai 2014

Trommeln für Martin Schulz, dem Gegenkandidaten ordentlich einheizen, und dann gemeinsam das Duell gucken – Hamburg hat in Sachen Europawahlkampf eine ordentliche Schippe drauf gelegt.

Touristen bleiben stehen und staunen, Porsches drosseln ihr Tempo, im feinen Fischereihafenrestaurant blickt man aus den Fenstern – denn vor dem Hanseatic Cruise Center direkt an der Elbe in Hamburg Altona bebt die Luft. Die 19 Frauen und Männer der „Sambuccada Banda Percussion“ trommeln, was das Zeug hält. Dazu ein Meer von roten und blauen Martin Schulz-Plakaten. Es ist 20 Uhr Uhr. Die gut 50 Genossinnen und Genossen, viele im Studentenalter, machen Stimmung für Martin Schulz, der in diesen Minuten zum Fernsehduell erwartet wird. Natürlich sind auch „die anderen“ da. Mit dunkelblauen T-Shirts. „Die sind mit Taxen gekommen“, erzählt Florian (25).

Die Genossen hingegen kommen umweltfreundlich mit Bahn, Rad und Bus, viele aus der Alfred Schnittke-Akademie in der Nähe des Altonaer Bahnhofs, wo der Hamburger Europaabgeordnete Knut Fleckenstein über „Chancen und Perspektiven für die junge Generation“ diskutiert. Die sind erschreckend schlecht. „Jeder vierte Jugendliche in Europa ist arbeitslos“, erzählt der Europaabgeordnete, „mehr als 7,5 Millionen der 15- bis 25-jährigen gehen weder zur Schule, noch machen sie eine Ausbildung oder sind berufstätig“. Später soll in der Alfred Schnittke-Akademie ein Public Viewing des TV-Duells zwischen Martin Schulz und Jean-Claude Juncker stattfinden.

Ein Meer von Plakaten

Martin Schulz kommt als erster, steigt strahlend aus dem Auto, begrüßt die Genossen und die Musiker und bahnt sich den Weg durch das Plakate-Meer, begleitet von „Martin, Martin, Martin“-Rufen zur „ARD-Wahlarena im amerikanischen Townhall-Format“, wie die ARD angekündigt hat. Die ist geladenen Gästen vorbehalten, weshalb die Genossen sich auf den Weg den Elbhang hinauf machen. In der Alfred Schnittke-Akademie ist inzwischen Diskussions-Pause. Im Garten werden Würstchen gegrillt, Stärkung für das gleich folgende Duell.

Wahlkampfverstärkung digital

Zwei junge Männer unterhalten sich auf Französisch. In Hamburg gibt es Auslandsgruppen von vielen anderen sozialdemokratischen und sozialistischen Schwesterparteien. „Wir haben uns vernetzt“, sagt Nicolas (29). „Unser gemeinsames Haus ist die SPE.“ Andere sprechen Italienisch. Es sind junge Genossen aus Rom, die in Hamburg für die SPE Wahlkampf gemacht haben, weil „wir an die gleiche Idee von Europa glauben“, wie sie auf Englisch erklären. Dann beginnt das Duell. Der Saal ist fast voll, die Stimmung konzentriert. Fast alle haben ein Mobiltelefon in der Hand, in das sie mit rasender Geschwindigkeit Kurznachrichten an Freunde und Bekannte tippen. Wahlkampfverstärkung digital.

Der sympathischere Kandidat

Nach dem Duell sind die Sympathien klar verteilt, aber Hamburger sind gerecht. „Beide waren gut“, sagt Annkathrin (24), aber nur um gleich hinzu zu fügen: „Martin Schulz war sympathischer. Die Spontaneität von Martin Schulz gefällt mir.“ „Er spricht mir bei fast allen Themen aus dem Herzen“, bestätigt Hanne (72) und Marja (24) ist überzeugt: „Martin Schulz würde man die Arbeit als Kommissionspräsident gerne anvertrauen.“ Und der Gegenkandidat, der doch in vielen Punkten wenig anderes gesagt hat, als Martin Schulz? „ Juncker vertritt Positionen, die diametral der Partei entgegenstehen, die in aufgestellt hat“, befindet Yannick (22). Sein Schluss daraus: Man könne ihm nicht glauben.

Die offene Generation

Zurück zum Thema Jugendarbeitslosigkeit, der Juso-Landesvorsitzende will dazu etwas sagen. Das Thema treibt ihn um, schließlich sind die jungen Leute „die europäische Generation überhaupt“. „Wir kennen keine Grenzen, wir sind eine offene Generation, wir reisen, haben Freunde im Ausland.“ Wenn die Sparpolitik der EU dazu führe, dass diese jungen Leute die Glauben an Europa verlieren, dann sei das eine große Gefahr für die europäische Idee, sagt er und fügt hinzu: „Gut dass Martin Schulz für den Wechsel steht.“

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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