Inland

Wahlkampf nach Hitler

von Sebastian Zajonz · 10. April 2011
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Nach dem Dritten Reich standen die Parteien vor einem Dilemma. Welche Form der Werbung ist angemessen um ihre aktuelle Politik anzupreisen, nachdem Propaganda so viel zum Erfolg Hitlers beigetragen hatte? "Propaganda nach Hitler: Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949-1990" zeichnet die Entwicklung des Wahlkampfes in Deutschland nach.

Abgrenzung zum Dritten Reich

In ihrer scharfen Abgrenzung vom Dritten Reich blickt die deutsche Politik auf die demokratische Tradition im deutschen Kaiserreich einerseits und auf die USA als Musterland der Demokratie andererseits. Die Vereinigten Staaten galten nicht uneingeschränkt als Vorbild: Unter dem Schlagwort der "Amerikanisierung" wurde die Professionalisierung, Personalisierung und Medialisierung des Wahlkampfs schon zur Gründungszeit der Bundesrepublik wurde als etwas Negatives betrachtet.

Deutschland suchte daher nach einem eigenen Weg und fand ihn in der Geschichte des Wahlkampfs im eigenen Land. Im Kaiserreich war die Wahlkampftradition eine aufklärerische: Parteien versuchten ihre Wähler nicht nur für sich zu gewinnen, sondern auch zu bilden. An diese Tradition suchten die Protagonisten der alten Bundesrepublik anzuknüpfem.

Willensbildung und Demokratieverständnis

Mergel beschreibt in seinem Buch detailliert die Handlungsweisen im Wahlkampf. Er erläutert wie sie langsam erarbeitet wurden und sich immer mehr etablierten. Noch in den fünfziger und sechziger Jahren war es nicht unüblich, den politischen Gegner in die Nähe der Nazis oder der Vaterlandsverräter zu rücken. Bis zum Ende der sechziger Jahre jedoch kamen die Parteien immer mehr davon ab.

1965 schlossen die Parteien einen Vertrag, der sie verpflichtete Wahlkämpfe fair zu führen. Wer sich nicht an die Grenzen hielt, wurde nicht nur vom politischen Gegner, sondern oft genug auch aus den eigenen Reihen zurechtgewiesen. Die Parteiführung distanzierte sich nicht nur von der Zerstörung von Wahlkampfplakaten des Gegners durch Anhänger der eigenen Partei, sondern ersetzte sie auch oftmals auf eigene Kosten.

In seinem Buch zeigt Thomas Mergel die Entwicklungen des deutschen Wahlkampfes im Vergleich zu anderen westlichen Staaten. Er erzählt damit etwas über die Willensbildung eines Volkes und beschreibt das Demokratieverständnis des Staates. So eröffnet Mergel mit seiner Studie eine neue Perspektive auf die junge deutsche Demokratie.

Thomas Mergel: "Propaganda nach Hitler: Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949-1990", Wallstein Verlag, Göttingen, 2010, 415 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 978-3-8353-0779-7

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Autor*in
Sebastian Zajonz

Redakteur in München

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