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Vorratsdatenspeicherung ist ein gelungener Kompromiss

Im Herbst wird der Bundestag die Vorratsdatenspeicherung beschließen. Ausgearbeitet wurde der Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas, der ursprünglich gegen die Einführung einer VDS war. Im Interview erklärt Maas, warum er dieses Gesetz für gelungen hält.
von Christian Rath · 27. July 2015

Herr Maas, finden Sie Ihren Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung richtig gut? Sind Sie stolz darauf, was Sie mit Innenminister de Maizière ausverhandelt haben?

Der von uns vorgelegte Gesetzentwurf hat mit dem alten Gesetz nicht viel zu tun. Es sollen weit weniger Daten für einen kürzeren Zeitraum gespeichert werden, sie sind besser gegen Mißbrauch gesichert und sie können nur zur Aufklärung schwerer Straftaten abgerufen werden. Kein Gesetz in Europa ist so zurückhaltend, wie das von uns geplante.

Ich würde gerne verstehen, wie sich Ihr Verhältnis zur Vorratsdatenspeicherung verändert hat. Was ist grundlegende Überzeugung, was sind neue Einsichten und was ist politische Loyalität?

Fragen Sie!

Als Karlsruhe 2010 das erste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung kippte, lobten Sie das Urteil als "klare Absage an die Ermittlungsmethode des Generalverdachtes". Damals waren Sie also Gegner der Vorratsdatenspeicherung?

Meine Skepsis war und ist bekannt. Man kann das nur unter strengen Voraussetzungen machen, die ich eben skizziert habe.

Dann wurden Sie Minister einer Regierung, in deren Koalitionsvertrag die Vorratsdatenspeicherung vorgesehen war. Die Methode an sich war für sie also kein rechtsstaatliches Tabu?

Das Verfassungsgericht hat 2010 klare Vorgaben gemacht, ebenso der EuGH 2014 - beide Gerichte haben aber die Vorratsdatenspeicherung nicht von vornherein ausgeschlossen.

Gleich nach Amtsantritt im Januar 2014 haben Sie aber angekündigt, die Vorratsdatenspeicherung erst einmal "auf Eis" zu legen, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die entsprechende EU-Richtlinie entschieden hat.

Es schien mir einfach logisch, erst das Urteil abzuwarten und dann einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Sie sagten damals auch, wenn der EuGH die Richtlinie kippt, entfällt die "Geschäftsgrundlage" des Koalitionsvertrags. Etwas überraschend hat der EuGH im April 2014 tatsächlich die Richtlinie für nichtig erklärt. Trotzdem soll es jetzt eine Vorratsdatenspeicherung geben.

"Wegfall der Geschäftsgrundlage" hieß ja nicht: dann machen wir gar keine Vorratsdatenspeicherung, sondern nur: dann müssen wir neu reden, wie man mit dieser Situation umgeht.

Im Dezember 2014 twitterten Sie: "#VDS lehne ich entschieden ab - verstößt gg Recht auf Privatheit u Datenschutz. Kein deutsches Gesetz u keine EU-RL!" Waren das Sie oder hat ein pfiffiger Aktivist Ihren Anschluss gehackt?

Das war ich.

Zu diesem Zeitpunkt sahen Sie also die Chance, ganz auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten?

Es ging damals um eine Vorratsdatenspeicherung, wie sie sich die Sicherheitspolitiker stets gewünscht haben - also deutlich mehr Daten speichern und längere Speicherfristen. Für eine solche sah ich keine Grundlage - und die ist auch so nicht geplant.

Ab Mitte Januar 2015 erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel, die SPD sei offen, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Haben Sie versucht, in der SPD Widerstand dagegen zu organisieren?

Nein.

Warum nicht?

Der Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Frankreich war ein Einschnitt, weil jeder wusste: Das hätte theoretisch auch bei uns passieren können. Ich habe gemerkt - nicht nur in der Politik, auch in der Bevölkerung - dass im Lichte eines solchen Ereignisses Sicherheitsargumente plötzlich an Schlagkraft gewinnen. Das muss nicht immer rational sein - aber es ist so.

Und dann haben Sie eben mitgemacht?

Ich habe die Chance gesehen, jetzt mit der Union eine grundrechtsverträgliche Form der Vorratsdatenspeicherung auszuhandeln, die den strengen Vorgaben der Gerichte gerecht wird und auch den parteiinternen Hürden auf Grundlage des SPD-Parteitagsbeschlusses. Ich finde: Das ist alles gut gelungen.

Am 15. März hat Gabriel im Deutschlandfunk verkündet, "dass die Kollegen de Maizière und Heiko Maas gemeinsam einen solchen Vorschlag entwickeln müssen." Hatte er da vorher mit Ihnen gesprochen?

Die Position von Sigmar Gabriel war weder neu noch überraschend.

Ohne Sie hätte Gabriel seinen Plan auf dem SPD-Konvent im Juni gar nicht durchsetzen können...

Das ist hypothetisch.

Warum haben Sie das getan? War es die Loyalität zu Sigmar Gabriel, zum SPD-Vorstand oder haben Sie aus eigener Überzeugung für das Projekt gekämpft?

Es ist mir gelungen, eine vergleichsweise restriktive und vor allem grundrechtsschonende Regelung auszuhandeln. Dass ich aus einer Position der harten Ablehnung kam, hat dies vielleicht sogar erleichtert.

Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet. In der Union fordern manche Nachbesserungen zugunsten der Sicherheitsbehörden.

Herr De Maiziere und ich sind der Auffassung, dass wir einen guten und ausgewogenen Kompromiss vorgelegt haben. Jetzt ist der Bundestag am Zug.

Gegen die neue Vorratsdatenspeicherung wurden schon viele Klagen angekündigt. Hoffen Sie insgeheim, dass die Gerichte das Gesetz kippen?

Nein. Ich bin sicher, dass wir alles dafür getan haben, dass das Gesetz bestätigt wird.
 

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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