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Vorlage an das Bundesverfassungsgericht: Cannabis soll nicht mehr illegal sein

Die Kriminalisierung von Cannabis ist verfassungswidrig. Das begründet Strafrichter Andreas Müller vom Amtsgericht Bernau (bei Berlin) in einem 141-seitigen Vorlagebeschluss. Nun muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
von Christian Rath · 27. April 2020
Cannabis legalisieren!?
Cannabis legalisieren!?

Im konkreten Fall hatte ein 24-jähriger Maschinenbau-Student im Görlitzer-Park (Berlin-Kreuzberg) 2,6 Gramm Marihuana gekauft und geriet anschließend in eine Polizeikontrolle. Da der junge Mann schon mal mit Marihuana erwischt worden war, lehnte die Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens ab und forderte eine Geldstrafe von 150 Euro.

Cannabis „relativ ungefährlich“

Strafrichter Andreas Müller legte das Verfahren in Karlsruhe vor. Ihm geht es nicht nur um den Studenten, sondern um geschätzt vier Millionen Cannabis-Konsumenten in Deutschland, denen jederzeit Ärger mit Polizei und Justiz droht.

Dass Cannabis und seine Produkte Marihuana und Haschisch im Betäubungsmittelgesetz noch auf der Liste der illegalen Drogen stehen, hält Müller für unverhältnismäßig. Beim "moderaten Gebrauch" durch Normalbenutzer sei Cannabis „relativ ungefährlich“ und deutlich harmloser als der legale Alkohol.

Während Alkohol pro Jahr zehntausende Tote verursache, sei es bei Cannabis kein einziger, so Müller. Deshalb müsse zumindest der Besitz von geringen Mengen straflos sein.

Kein „Recht auf Rausch“

Müller nutzte bei seinem Vorlagebeschluss als erster Richter ein Muster, das der Deutsche Hanfverband (DHV) Ende 2019 veröffentlichte. Der DHV will damit im Rahmen seiner „Justizoffensive“ die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts erleichtern.

Doch Müller ist selbst Überzeugungstäter. 2015 veröffentlichte er das Buch „Kiffen und Kriminalität“. Freimütig räumt der Richter auch eigene (frühere) Cannabis-Erfahrungen ein. Müller gilt als Deutschlands bekanntester Jugendrichter. Einen Namen machte er sich, als er straffälligen Jungnazis verbot, weiter Springerstiefel zu tragen.

Das Bundesverfassungsgericht muss sich nicht zum ersten Mal mit der Kifferfrage befassen. 1994 entschieden die Richter, dass es kein „Recht auf Rausch“ gebe und der Gesetzgeber bei der Einstufung von Drogen einen „Beurteilungsspielraum“ habe.

Was heißt „geringe Menge“?

Es gebe keine Pflicht, Alkohol und Cannabis gleich zu behandeln. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit genüge es, wenn Verfahren bei geringen Mengen Cannabis in der Regel eingestellt werden.

Doch Müller findet, dass sich die von Karlsruhe vorgegebene Einstellungs-Lösung nicht bewährt hat. Denn zunächst müsse sich jeder Kiffer gegenüber der Polizei rechtfertigen, es seien Festnahmen und Hausdurchsuchungen möglich.

Was eine „geringe Menge“ ist, werde zudem im Bundesvergleich unterschiedlich definiert. In Bayern und Baden-Württemberg sind es bis zu sechs Gramm, in Berlin und Bremen 15 Gramm. Unter dem Strich würden nur rund zwei Drittel aller Cannabis-Verfahren eingestellt. Jährlich gebe es deshalb bis zu 30.000 Verurteilungen.

Geregelte Legalisierung außerhalb von Deutschland

Damit eine erneute Vorlage an das Verfassungsgericht zulässig ist, muss Richter Müller belegen, dass es seit 1994 „neue Tatsachen“ gibt. Erfolgversprechend ist vor allem der Hinweis auf die geregelte Legalisierung von Cannabis in Portugal, Uruguay, Kanada und zehn US-Bundesstaaten, die nicht zu Chaos und Kontrollverlust führte. Dies zeige, so Müller, dass das Strafrecht „nicht erforderlich“ ist, um Ziele wie den Jugendschutz zu erreichen.

Wann und wie sich das Bundesverfassungsgericht mit der Vorlage befasst, ist völlig offen. Bis dahin gilt das Cannabis-Verbot weiter. Nur die Karlsruher Verfassungsrichter können Gesetze für verfassungswidrig erklären.

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