Inland

Vorkämpfer für den Datenschutz schöpfen neue Hoffnung

Der Zeitplan war ehrgeizig, die Kritik an ihm laut, nun ist er hinfällig: Das umstrittene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wird den Bundestag frühestens im Herbst dieses Jahres passieren. Die SPD erwartet bis dahin eine kontroverse Debatte über das Für und Wider der massenhaften Datensammlung. Insbesondere der anstehende Parteikonvent wird mit Spannung erwartet.
von Robert Kiesel · 10. Juni 2015

Die Diskussion über das Gesetz zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung wird die SPD noch deutlich länger beschäftigen als ursprünglich angenommen. Nachdem sich am Dienstagnachmittag 38 der 193 Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hatten, erklärte Fraktionschef Thomas Oppermann: „Wir haben auch beschlossen, dass wir genügend Zeit für die Beratung haben wollen. Es muss noch eine Notifizierung bei der Europäischen Kommission vorgenommen werden. Das bedeutet, wir machen in dieser Woche die erste Lesung des Gesetzentwurfes. Und dann kommt im September die zweite und dritte Beratung. Und dazwischen wird es sicherlich noch eine ganze Menge politischer Meinungsbildung geben, die dann selbstverständlich bei der abschließenden Beratung des Gesetzes auch berücksichtigt wird.“

Erfolgsmeldungen zwitschern durch das Netz

Die Ankündigung Oppermanns, die 2. und 3. Lesung des Gesetzentwurfs in den Herbst zu verlegen, traf bei Kritikern der Vorratsdatenspeicherung innerhalb der Partei auf große Zustimmung. So wertete der Verein „D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt“ die Entscheidung als Erfolg der eigenen Kampagne. Mathias Richel, Mitglied bei D64, twitterte:

D64 wirkt. #VDS-Entscheidung erst im Sept. Für @SPDde-Konventbeschluss gegen VDS kämpfen & unabhängig davon weiter auf @spdbt einwirken!

— Mathias Richel (@mathiasrichel)

Nico Lumma, Sprecher des Netzwerks, wandte sich direkt an den SPD-Parteivorstand und forderte:

eigentlich will nur noch der SPD Parteivorstand die VDS, alle anderen sind dagegen! Hört auf die Basis! https://t.co/WYy8lvOcaV

— Nico Lumma (@Nico)

Für Aufsehen sorgte darüber hinaus eine ebenfalls am Dienstag von D64 ins Netz gestellte Auflistung. Danach hätten sich mittlerweile elf von 16 SPD-Landesverbänden gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung in ihrer geplanten Form ausgesprochen. Der Liste zufolge haben sich lediglich die Verbände der Länder Brandenburg, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen bisher nicht zu dem Thema positioniert. In den übrigen Ländern wurden laut D64 bereits in den vergangenen Monaten und Jahren Beschlüsse gegen die Vorratsdatenspeicherung gefasst.

Unterstützung erhielten die Kritiker des Entwurfs indes aus dem Haus der Bundesdatenschtuzbeaufrtragten, Andrea Voßhoff. Diese formulierte in einer Stellungnahme: „Die Neuregelung kann meine bereits geäußerten Bedenken an die Vorgaben für eine verfassungsgemäße Vorratsdatenspeicherung nicht ausräumen. Insbesondere entspricht sie nicht vollumfänglich dem was das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof in ihren Urteilen für die verfassungskonforme Ausgestaltung einer solchen Maßnahme gefordert haben.“ Als „inakzeptabel“ bezeichnete Voßhoff die Eile, mit der das Gesetz erarbeitet worden sei. Ihrem Haus seien faktisch nicht einmal 30 Stunden zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden.

Gespanntes Warten auf den Parteikonvent

Mit Spannung erwartet wird nun die Abstimmung über die Vorratsdatenspeicherung auf dem SPD-Parteikonvent am 20. Juni in Berlin. Erst Anfang der Woche war bekannt geworden, dass die Antragskommission unter Vorsitz von Olaf Scholz eine Abstimmung zur Vorratsdatenspeicherung anstelle der ursprünglich vorgesehenen Überweisung an die Bundestagsfraktion empfohlen hatte. Zuvor hatten mehr als 100 Partei-Gliederungen Anträge gegen das geplante Gesetz gestellt.

Bei allem Aktionismus auf Seiten der Kritiker,  eine tatsächliche Ablehnung des Gesetzentwurfs zur Vorratsdatenspeicherung liegt in weiter Ferne. Weil die Unions-Fraktion den Gesetzentwurf am Dienstag einstimmig angenommen hat, reichen bei der Abstimmung im Bundestag nach der Sommerpause die Ja-Stimmen von nur vier SPD-Abgeordneten aus, damit das Gesetz das Parlament passiert.

Die erste Lesung des Gesetzentwurfs wird wie geplant am Freitag im Bundestag stattfinden. Laut netzpolitik.org soll es dazu eine Protestaktion geben.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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