Vor Sondierungsrunde: CSU will weniger Geld für Flüchtlinge, SPD hält dagegen
Kurz vor dem Beginn der ersten Sondierungsgespräche mit der SPD haben CSU-Spitzenpolitiker ihre Vorstellung der zukünftigen Asylpolitik vorgestellt – und viele Sozialdemokraten vor den Kopf gestoßen. „Damit Deutschland nicht weiter Anziehungspunkt für Flüchtlinge aus der ganzen Welt ist, wollen wir die Sozialleistungen für Asylbewerber kürzen“, zitiert der „Münchner Merkur“ den CSU-Politiker Alexander Dobrindt.
CSU-Ideen: Schikanen gegen Asylbewerber
Unter anderem will die CSU eine Regelung verlängern, die Asylbewerbern in Deutschland schon jetzt relativ wenig zum Leben zugesteht. Laut Asylbewerberleistungsgesetz bekommen Geflüchtete, die in Deutschland in einer Sammelunterkunft leben, vom Staat pro Monat 131 Euro zur freien Verfügung. Die Kosten für Essen, Kleidung oder Gesundheitsversorgung übernimmt ebenfalls der Staat – allerdings in Form von „Sachleistungen“. Nach 15 Monaten steht Asylbewerbern eine Aufstockung zu – auf das Niveau von Hartz IV, das seit Jahresbeginn 416 Euro beträgt. Die CSU will, dass Flüchtlinge in Zukunft erst nach drei Jahren dieselben Leistungen wie einheimische Hartz-IV-Bezieher erhalten.
In der SPD kommen die Ideen aus Bayern nicht gut an. „Man hat den Eindruck, jedes Mal, wenn sich die CSU trifft, muss bei denen eine Verschärfung des Asylrechts herauskommen“, sagt Frank Schwabe, menschenrechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Die SPD ist gut beraten, diesen Populismus im Bereich der Flüchtlingspolitik nicht mitzumachen.“ Die aktuellen Vorschläge der CSU hält Schwabe für nicht weniger als „Schikanen gegen Asylbewerber“.
BVfG: Menschenwürde darf nicht relativiert werden
Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, sieht das ähnlich. „Leistungen für Flüchtlinge wurden in der vergangenen Legislaturperiode auf Druck der Unionsfraktion bereits erheblich gekürzt“, so Lischka. „Wenn die CSU jetzt weiter am Geldhahn drehen will, hätte dies unabsehbare Folgen für eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen. Das kann nicht in unserem Interesse sein.“
Laut Bernd Mesovic, Rechtsexperte bei „Pro Asyl“, sind die Ideen der CSU sogar verfassungsrechtlich bedenklich. Im Gespräch mit vorwärts.de verweist er auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVfG) aus dem Jahr 2012. „Die Menschenwürde darf nicht migrationspolitisch relativiert werden“, zitiert Mesovic die Karlsruher Richter. „Jede Kürzung von Sozialleistungen muss inhaltlich begründet sein“, sagt er. Gemeint ist: Der Gesetzgeber müsse konkret nachweisen, dass eine Person tatsächlich mehr Geld erhalte als nötig – erst dann dürfe gekürzt werden. „Irgendeine Begründung genügt nach den Karlsruher Maßstäben aber nicht.“
Pro Asyl: SPD darf sich nicht vorführen lassen
Mesovic betont außerdem, wie wichtig das „Taschengeld“ für Asylbewerber sei, um ihren Alltag selbstbestimmt gestalten zu können. „Die Menschen müssen mit dem Bus fahren oder eine Telefonkarte kaufen können. Nur die Kalorien alleine zu bekommen, das reicht nicht.“ Vor den Gesprächen mit der Union hat Mesovic einen Ratschlag an die Sozialdemokraten: „Die SPD sollte sich bei diesem Thema nicht vorführen lassen und bei willkürlichen Kürzungen nicht mitmachen.“
Dass die Sozialleistungen für Asylbewerber in Deutschland Flüchtlinge aus aller Welt anzögen, wie CSU-Mann Dobrindt behauptet, glaubt Mesovic nicht. „Da gibt es ganz andere Gründe, warum Menschen nach Deutschland kommen“, sagt er. „Zum Beispiel eine vorhandene Community oder die relativ guten rechtsstaatlichen Strukturen.“
GdP-Chef Malchow: Mehr Geld für Flüchtlinge
Herbert Brücker, Migrationsforscher bei der Bundesagentur für Arbeit, hält die Vorschläge der CSU genauso wie Mesovic für „verfassungsrechtlich fragwürdig“ – und für „integrationspolitisch falsch“. „Durch eine Kürzung würde nur der Anreiz verstärkt, in die Schwarzarbeit zu gehen oder kriminell zu werden“, zitiert ihn die „Rheinische Post“. Auch Oliver Malchow, Chef der Gewerkschaft der Polizei, sieht das so: „Dort, wo jungen Männern kaum Perspektiven aufgezeigt werden, Bildungs- und Integrationsangebote fehlen, kommt es deutlich öfter zu Gewalttaten. Deshalb ist es wichtig, für junge Flüchtlinge beispielsweise mehr verpflichtende Sprachkurse, Praktika oder Betreuungskonzepte aufzulegen.“
In anderen Worten: mehr statt weniger Geld für Asylbewerber.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.