Anna Mitgutschs Hauptfigur blickt zurück auf eine Beziehung, geprägt von Höhen und Tiefen: Vor mehr als 30 Jahren hat sie den amerikanischen Juden Jerome getroffen, ist zu ihm in die USA
gezogen. Sie selbst kommt - genau wie die Autorin - aus Österreich. Die Frau aus dem Land der Täter konvertiert zum Judentum. Es folgt ein Pendeln zwischen Europa und Amerika, ein Wechsel
zwischen Nähe und Distanz, Treue und Verrat. Ein Neuanfang des Paares nach Trennung und Scheidung. Und dann stirbt Jerome ganz plötzlich an einem Herzinfarkt.
Die große Liebe oder ein Scherbenhaufen? Dieser Frage stellt sich die namenlose Ich-Erzählerin. Sie muss mit ihrer Trauer fertig werden und die Trümmer ihrer Beziehung sortieren. Da ist die
gemeinsame Tochter Ilana. Da sind die zahllosen Geliebten Jeromes. Und da ist der Verlobungsvertrag, in dem die Partner schriftlich versichern, sie würden "vernünftig lieben ... alles teilen,
aber unser Recht auf Eigenständigkeit bewahren." So hatten die Schriftstellerin und der Rechtsanwalt versucht, ihre Liebe vertraglich zu sichern.
Chiffren
Tod, Trauer, Liebe, Schuld - es sind große Themen, denen Anna Mitgutsch sich widmet.
Doch die Behandlung bleibt oberflächlich und geprägt von Klischees. Die Darstellung der Beziehung erschöpft sich in Phrasen von einem Paar, "das sich mit einem Blick, mit einem halben
Lächeln, einem sekundenlangen Zögern verständigte". Unerschöpfliche Gespräche, synchrone Gedanken, die "Verwandtschaft unserer Seelen": So erschließt sich das vertraute Paar nur darüber, dass es
fortwährend herbeigeredet wird.
Auch die Behandlung der Trauer erschöpft sich in Plattitüden über die immer falschen, eingeübten Redewendungen und die Behandlung von Trauernden als seien sie unpässlich. "Schlafentzug und
die Unmöglichkeit zu Essen" ist Mitgutschs Chiffre für Trauer. Doch die beständige Wiederholung macht den Zustand um nichts greifbarer. So ist das Buch voll von großen Worten wie Liebe und
Freiheit, doch hinter ihnen steht nichts. Bedeutungsschwangere Anspielungen bleiben hohl.
Kurzschlüsse
Jüdischsein spielt eine zentrale Rolle in dem Buch. Der Trauerwoche Schiwa und den ersten 30 Tagen nach dem Todesfall, Scheloschim, sind Kapitel gewidmet. Und Anna Mitgutsch thematisiert
den Holocaust. Ihre Protagonistin findet Unterlagen über Jeromes Tante. Diese wurde von den Nationalsozialisten ermordet, nachdem ihr deutscher Mann sich von ihr scheiden ließ - kurz bevor er in
die NSAP eintrat. Jerome hatte vergeblich versucht, ihn wegen unterlassener Hilfeleistung juristisch zur Verantwortung zu ziehen.
Seiner Frau hatte er davon nichts erzählt. Als sie die Dokumente nach seinem Tod findet, erklärt sich ihr daraus sein Bedürfnis, Zusammengehörigkeit und Loyalität vertraglich abzusichern,
wie sie es in ihrem Verlobungsvertrag versucht hatten. Ein allzu simpler Kurzschluss, der den Leser einmal mehr mit einer oberflächlichen Abhandlung zurücklässt. Bei der Thematisierung von Shoah
und Schuld lässt das ein besonders schales Gefühl zurück. Es ist, als wäre die Autorin mit ihrem Stoff überfordert. Als hätte Mitgutsch zuviel gewollt, bleibt "Wenn du wiederkommst" eine
holzschnittartige Abhandlung.
Anna Mitgutsch: "Wenn du wiederkommst", Luchterhand Verlag, München, 272 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-630-87327-5
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.