Inland

Von Krisen und Chancen

von Anina Kühner · 17. September 2012

Das deutsche Friedensgutachten 2012 beleuchtet unter anderem den „War on Terror“ und den damit verbundenen Machtverlust der USA. Aber auch die gesellschaftlichen Folgen der Euro-Krise stehen im Fokus des Berichts, dessen zentrale Aussagen seine Mitherausgeberin Corinna Hauswedell letzte Woche vorstellte.

Eine zentrale These des Friedensgutachtens 2012 ist, dass sich nationale und internationale Konflikte nicht länger voneinander trennen lassen. Als Beispiel hierfür verwies die Friedensforscherin Corinna Hauswedell während ihres Vortrags in der ver.di-Geschäftstelle Berlin auf die Selbstmordrate amerikanischer Soldaten, die seit 2001 im Afghanistan-Krieg im Einsatz waren: „Laut einer Studie haben sich seitdem doppelt so viele Soldatinnen und Soldaten das Leben genommen, wie im Einsatz gefallen sind.“ Dieses schockierende Ergebnis zeige deutlich, welche Folgen die Realität des „War on Terror“ für die amerikanische Gesellschaft habe.

Bedenkliche Folgen

Aber auch aus europäischer Perspektive führten globale Krisen zu besorgniserregenden inneren Konsequenzen, konstatierte Hauswedell: Die Krise des Euro, die eigentlich einer globalen Finanzmarktkrise entsprungen sei, verunsichere die Menschen in Europa und führe zu gegenseitiger Ablehnung. Das Friedensgutachten bringe die Folgen auf den Punkt: „Unter dem Druck der Bundesregierung wird ganz Europa einem drastischen Spardiktat unterworfen, das die schwächeren Volkswirtschaften in eine Rezession treibt und den Sozialstaat weiter abbaut“, heißt es da.

Dem gelte es entgegenzuwirken, indem man den Bürgern Europas grenzübergreifend soziale Gerechtigkeit biete, folgern die Autoren des Friedensgutachtens. Gerade in Deutschland seien die Folgen der Euro- und Finanzkrise auf gesellschaftlicher Ebene bedenklich, erklärte die Referentin. Unter diesem Aspekt sei es unverantwortlich, dass noch keine umfassende Finanzmarktregulierung stattgefunden habe.

„Durch wachsende Verunsicherungen sind auch in Deutschland alte Ressentiments wieder aufgebrochen“, stellte Hauswedell klar. Die Angst vor dem sozialen Abstieg befeuere gerade in der deutschen Mittelschicht Vorurteile gegenüber Armen und Minderheiten. Darüber hinaus sei eine zunehmende Islamfeindlichkeit zu beobachten, die rechten Randgruppen verstärkt Zulauf beschere.

Chancen der Machtverschiebung

Machtverschiebungen zwischen West und Ost, aber auch zwischen politischen und nicht-politischen Akteuren stehen ebenfalls im Zentrum des diesjährigen Friedensgutachtens. Im Zuge des Irak- und Afghanistankrieges hätten die USA sich nachhaltig verschuldet, während in China, Indien und Brasilien die Volkswirtschaften enorm gewachsen seien, berichtete Hauswedell mit Blick auf das Gutachten. Dabei habe der amerikanische „War on Terror“ nicht viel zur Weltsicherheit beigetragen: „Hohe Zivilopfer und soldatisches Fehlverhalten entzogen den Missionen die Legitimation.“

Allerdings sei es ein Irrtum, dass Machtverschiebungen immer zwangsläufig zu Konflikten führen müssten, stellte die Friedensforscherin klar: „Es gilt, intelligente Macht mit anderen statt über andere auszuüben.“ Eine weltweite Diplomatieoffensive sei demnach dringend notwendig. Den ersten Schritt dazu habe der amerikanische Präsident Barack Obama mit seinem Kurswechsel bezüglich des „War on Terror“ schon getan.

Allerdings bemängelt das Friedensgutachten vor allem den Einsatz von Drohnen in Kriegsgebieten unter seiner Regierung. Ihr Einsatz als Waffe sei völkerrechtlich hoch bedenklich, erklärte die Referentin. Schließlich würden Drohnen ferngesteuert und entfremdeten so den Angreifer noch zusätzlich von seinem Ziel.

Besonders empörend ist für Hauswedell die Aussage des deutschen CDU-Verteidigunsministers Thomas de Mazière, der Drohnen kürzlich als „moralisch unbedenkliche Waffen“ bezeichnete. „Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für die Aufnahme bewaffneter Drohnen als eigenständige Kategorie in das UN-Waffenregister zu engagieren und (...) diese Waffen zu ächten“, heißt es in Reaktion darauf im Friedensgutachten.

Info:

Im alljährlich erscheinenden Friedensgutachten analysieren die Autoren globale Konfliktlinien, Machtverschiebungen und bewaffnete Konflikte. Erstmals haben sie in diesem Jahr ihren Fokus auch auf soziale und ökologische Fragen gerichtet.

Das „Friedensgutachten 2012“ ist im LIT-Verlag erschienen und kostet 12,90.

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Anina Kühner

studiert Germanistik und Buchwissenschaften in Mainz. Im Sommer 2012 absolvierte sie ein Praktikum beim vorwärts.

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