Ob nebenan Nachwuchsrocker spielen, unten Einkaufsbummler lärmen oder innen Schimmelpilze wachsen: Ein Mieter kann was erleben. Doch am Ende – liebe Vermieter, verlassen Sie sich darauf – am Ende siegt die Gerechtigkeit.
Wer wohnt, hat was zu erzählen. Meine erste eigene Bude war ein Glücksgriff, für Ruhesuchende ungeeignet. Im Jugendzentrum nebenan, knapp zehn Meter entfernt, spielten hin und wieder die Toten Hosen oder irgendwelche Nachwuchsrocker. Aber da war ich meistens dabei und hätte notfalls nach Hause kriechen können. Wenn in der Wohnung mal was war, schickte die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft noch am selben Tag einen Handwerker.
Zwei Jahre wohnte ich danach in einem Josef-Beuys-Kunstwerk. Eine riesige Atomkraft-nein-danke-Sonne zierte die Außenwand, samt des Slogans: „Grün wählen – ja bitte“. Das hielt die Stadt für verbotene Werbung, Beuys signierte die Sonne und machte die Fassade so zum Kunstwerk. Leider nur die Fassade. Drinnen hätte man Elendsreportagen drehen können. Das Haus gehörte einem Bauunternehmer, der sich bei den Grünen engagierte.
Die nächste Wohnung lag in der Fußgängerzone, gehörte einer Trading Company aus Ägypten. Dem Verwalter waren die Wohnungen egal, das Geld brachten die Geschäfte im Erdgeschoss. Egal war es ihm aber auch, wenn in den oberen Etagen die Heizung ausfiel.
Die Wohnung danach hatte ein Spielhöllen-Betreiber bei einer Zwangsversteigerung erworben. Er versuchte vergeblich, uns mit gefälschten Schreiben aus dem Haus zu werfen. Als die marode Fassade zu Schimmelbildung im Schlafzimmer führte, kam ein polnischer Schwarzarbeiter vorbei und setzte von innen eine Gasbetonwand vor die Mauer. Mein Auszug wurde teuer. Wegen eines Formfehlers musste ich noch neun Monate Miete bezahlen. Später landete der Vermieter im Knast. Koks, Nutten, Steuerhinterziehung. Gerechtigkeit auf Umwegen.
Ich höre schon auf. Hier im Ruhrgebiet gibt es genug bezahlbaren Wohnraum, weil es zu wenig bezahlte Arbeit gibt. Hier genießt der Mieter auf dem freien Markt einen traurigen Vorteil. Nur noch das: Für normale Mieter galten bis Anfang des Jahrtausends Kündigungsfristen von bis zu zwölf Monaten. Geistliche, Soldaten und Beamte durften bei Versetzungen schneller kündigen. Was stark nach Kaiserreich klingt, wurde von der SPD-Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin geändert. Das brachte ihr Ärger mit den Vermietern ein. Mir hätte allein ihre Reform gereicht, 2002 die SPD zu wählen, selbst wenn sie für mich zu spät kam. Auch andere Menschen wohnen bei Spielhöllenbetreibern.
Georg Oligmueller
ist Kabarettist, Alternativ-Karnevalist („Geierabend“) und Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.