Inland

Vietnamesen in Deutschland sind in zwei Lager gespalten

Schwieriges Verhältnis: Die in Deutschland lebenden vietnamesischen Migranten gehören zwei verschiedenen Gruppen an. Während die einen als Flüchtlinge in der Bundesrepublik eine neue Heimat fanden, zogen die anderen als Arbeiter in die DDR. Nach der Wende kam es zu heftigen Spannungen.
von Fabian Schweyher · 13. November 2017
Vietnam Deutschland
Vietnam Deutschland

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Menschen aus vielen Nationen sind hierzulande heimisch geworden. Darunter sind auch Vietnamesen, die offenbar besonders unauffällig Teil der Gesellschaft geworden sind. Weithin unbekannt ist jedoch, dass diese Migrantengruppe auf eine ganz eigene, wechselvolle Vergangenheit in Deutschland zurückblicken kann. Bengü Kocatürk-Schuster hat als Mitherausgeberin an einem Buch mitgewirkt, das die vietnamesische Migrationsgeschichte beschreibt.

Rund 176.000 Menschen vietnamesischer Abstammung leben laut Ihrem Buch hierzulande. Sie fallen vergleichsweise wenig auf. Entsprechend heißt der Sammelband „Unsichtbar – Vietnamesisch-Deutsche Wirklichkeiten“. Was ist die zentrale Erkenntnis?

Die Gruppe der Vietnamesen ist in sich sehr vielfältig, und sie ist ein Teil dieser Gesellschaft. Jedoch führt die Unsichtbarkeit dazu, dass die Geschichte dieser Migrantengruppe in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Auch die Vietnamesen versuchen für sich selbst einen Weg zu finden, um aus dieser Unsichtbarkeit herauszukommen.

Vietnamesen kamen in zwei Gruppen nach Deutschland: Südvietnamesen, die vor dem kommunistischen Regime in Vietnam nach Westdeutschland flüchteten, sowie Nordvietnamesen, die als „Vertragsarbeiter“ in die DDR kamen. Was ist ihre Geschichte?

Die sogenannten „Bootsflüchtlinge“, die ab Ende der 1970er-Jahre aus Vietnam flohen, wurden in Deutschland als Kontingentflüchtlinge anerkannt. Sie hatten Aussicht auf ein dauerhaftes Bleiberecht. Gleichzeitig trafen sie auf eine aufnahmebereite Gesellschaft. Es gab beispielsweise Sprachkurse und organisierte Patenschaften. Ihre Startbedingungen in Deutschland waren also sehr gut. Entsprechend groß ist auch heute noch ihre Dankbarkeit.

Währenddessen kamen die „Vertragsarbeiter“ ab dem Jahr 1980, um den Arbeitermangel in der DDR auszugleichen. Viele von ihnen haben ihre Freizeit in bewachten Heimen verbracht, mussten einen Teil ihres Einkommens an den vietnamesischen Staat abgeben. Trotzdem empfanden viele dieser Menschen ihre Lage als nicht schlecht, weil sie sich finanziell verbessern und ihre Familien in Vietnam unterstützen konnten. Die Probleme begannen nach der Wiedervereinigung. Ihre Arbeitsverträge waren plötzlich nicht mehr gültig und Deutschland versuchte sie loszuwerden. Diejenigen, die geblieben sind, haben Jahre gebraucht, um wieder Fuß zu fassen.

Wie ist das Verhältnis zwischen beiden Gruppen heutzutage?

Die Gruppe der „Vertragsarbeiter“ und die der Flüchtlinge sind sich in den vergangenen Jahrzehnten aus dem Weg gegangen. Das ist ein schwieriges Thema für viele Familien. In einigen Flüchtlingsfamilien wurden schließlich die erlebten Traumata an die Kinder weitergegeben. Außerdem kam es beispielsweise in den 1990er-Jahren zu Spannungen, als ein Teil der ehemaligen „Vertragsarbeiter“ in die organisierte Kriminalität verwickelt war. Die gut integrierten Südvietnamesen, also frühere Flüchtlinge, waren darüber verärgert und fürchteten um ihren Ruf. Inzwischen gibt es viele Projekte, die sich für Austausch und Verständnis zwischen beiden Gruppierungen einsetzen.

Ein schwarzes Kapitel in der deutschen Geschichte sind die Geschehnisse von Rostock 1992. Damals setzten Neonazis ein Wohnheim in Brand, in dem Vietnamesen waren. Wie blicken die Menschen heute auf dieses Ereignis?

Das Pogrom ist allen immer noch lebendig im Gedächtnis. Von der Politik wurden die Menschen damals ignoriert. Eine offizielle Entschuldigung gab es erst Jahre später. Das hat die Betroffenen sehr gekränkt. Viele Menschen vietnamesischer Abstammung versuchen die Geschehnisse von Rostock zu verdrängen.

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