Vier Gründe, warum SPD-Politiker*innen legalen Cannabis-Konsum fordern
imago images/photothek
Dirk Heidenblut isth sehr deutlich: „Die bisherige Drogenpolitik zu Cannabis ist faktisch gescheitert.“ Erkannt habe man das in der SPD schon vor Jahrzehnten, ist der Sozialdemokrat aus Essen überzeugt. Deswegen treibt er – zusammen mit anderen gegenwärtigen und ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten – als drogenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion eine andere, fortschrittlichere Drogenpolitik voran. Dass ihr Vorschlag es auch ins SPD-Wahlprogramm geschafft hat, lässt sie hoffen, nach fast 30 Jahren Streit, Debatte und Kampf einer Lösung einen deutlichen Schritt nähergekommen zu sein. „Die programmatische Debatte in der Partei ist damit eigentlich abgeschlossen“, meint Heidenblut im vorwärts-Gespräch auf Instagram, wohlwissend, dass es weiterhin Änderungen und neue Entscheidungen zu dem Thema geben kann.
Einer, der sich des Themas schon seit mehreren Jahren sich annimmt, ist der frühere Bundestagsabgeordnete Burkhard Blienert aus Paderborn. Er kandidiert auch in diesem Jahr wieder für den Bundestag. Im Gespräch mit Heidenblut verweist er auf die lange Chronologie der Drogenpolitik in der SPD.
Mit der Union ist in der Drogenpolitik nichts möglich
Ein erster wegweisender Beschluss, der sich inhaltlich auch in dem jetzigen Wahlprogramm wiederfindet, stammt dabei bereits aus dem Jahr 1993. Denn aus der Zeit stammt bereits der Vorschlag, Cannabis zu entkriminalisieren, den Verkauf zu kontrollieren und legalisieren: „Es wird Zeit, das Wirklichkeit werden zu lassen.“ Dazwischen seien leider andere Themen wichtiger gewesen und nicht immer wurde das Gesundheitsressort von der SPD geführt. Dafür habe er aber Verständnis, bekräftigt Blienert. Leider sei nach 2005 die Tür dann ganz zu gewesen, mit der Union und Angela Merkel sei in der Drogenpolitik kaum noch etwas möglich gewesen.
Erst seit 2013 habe man dann versucht mit Siebenmeilenstiefeln die Entwicklung aufzuholen. Der Markt habe sich verändert, andere Länder hätten neue Entscheidungen getroffen, so Blienert. Der jetzige Beschluss im Zukunftsprogramm sei deswegen ein „Meilenstein“, ergänzt Heidenblut. Aber warum überhaupt Cannabis legalisieren? Diese vier Gründe sehen die beiden Sozialdemokraten:
Den Cannabis-Markt erschließen
Der Verkauf von Cannabis ist ein Milliardenmarkt. Schätzungen gehen von rund acht Milliarden Euro Umsatz pro Jahr in Deutschland aus. „Genau wissen wir es aber nicht“, sagt Blienert. Denn es sei eben Geld, das schwarz erwirtschaftet werde, also am Fiskus vorbei. „Das können wir als Gesellschaft eigentlich nicht zulassen.“ Zumal die Einnahmen durch den Verkauf ja auch versteuert würden – Geld, das widerum in die Prävention und Suchtberatung fließen könnte, meint Dirk Heidenblut.
Cannabis ist längst als Genussmittel etabliert
Blienert sieht den Konsum von Cannabis außerdem bei jungen und älteren Erwachsenen als etabliert an. „Dem muss man sich als Gesellschaft stellen.“ Es gebe ein Recht auf Selbstschädigung und Konsum, meint Blienert, der das Thema auch als eine Frage der Freiheit sieht. Deswegen sollte es auch für Kauf, Verkauf und Konsum gesicherte und legale Wege geben.
Das schließt aus Sicht von Heidenblut ein, dass Kund*innen bei einem geregelten Markt genau wüssten, was sie kaufen. „Wir schädigen die Menschen mehr dadurch, dass wir sie an versetzten Stoff zwingen“, sagt er mit Blick auf den illegalen Verkauf, der keinen Regeln unterliegt und es damit auch möglich macht, dass Cannabis gestreckt oder mit anderen Drogen versetzt werden kann.
Entlastung von Polizei und Justiz
Bisher wird der Besitz von Cannabis ab einer gewissen Menge strafrechtlich geahndet, die Polizei hat mit zahlreichen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu tun. Dabei handelt es sich um viele unnötige Verfahren, davon sind beide SPD-Politiker überzeugt. Es würde die Behörden entlasten, den Cannabis-Besitz nicht weiter zu verfolgen. Es könnte gleichzeitig der erste Schritt sein, den Cannabis-Konsum raus aus der Kriminalität zu holen, die Verfolgung dieser Delikte zu beenden. Ein gangbarer Weg sei dabei, schlägt Heidenblut vor, den Besitz kleiner Mengen von Cannabis nicht mehr als Straftat zu behandeln, sondern als Ordnungsdelikt. Dann würden höchstens noch Bußgelder fällig werden. Parallel dazu wäre die Umsetzung von Modellprojekten eine Möglichkeit, verschiedene Verkaufs-Methoden zu erproben.
Sinnlose Verbotspolitik
Dass der Konsum von Cannabis bereits für viele alltäglich ist, zeige auch: Die Verbotspolitik habe bisher nicht geholfen, meint Burkhard Blienert. Sie helfe auch bei der Prävention gegenüber der Jugend nicht, ist er überzeugt.
Außerdem sei inzwischen klar, dass Cannabis keine Autobahn in Richtung harter Drogen sei, wie immer wieder behauptet werde. „Das ist alles Quatsch und Unfug“, meint der Paderborner und setzt sich deswegen für eine Gleichbehandlung der Drogen Alkohol, Tabak und Cannabis ein.
Das ganze Instagram-Gespräch mit Burkhard Blienert und Dirk Heidenblut: