Inland

Viele Fragen – keine Antworten

von Carl-Friedrich Höck · 19. Juli 2013

Die Erwartungen waren groß, dass die Bundesregierung das Verwirrspiel um das amerikanische Spähprogramm „Prism“ endlich aufklärt. Am Freitag hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel den Fragen der Presse gestellt. "Ein Auftritt von erschreckender Hilflosigkeit", schimpfte Peer Steinbrück danach.

Frank-Walter Steinmeier, Chef der SPD-Bundestagsfraktion, drängt auf Aufklärung. „Was weiß die Regierung? Läuft das Programm noch? Was tut Merkel, um deutsche Interessen zu wahren? Darauf müssen jetzt Antworten her“, fordert er in der „Bild“. Die Meldung, dass die Bundeswehr „Prism“ nicht nur kannte, sondern selbst einsetzte, mache die Verwirrung komplett.

Rückblick: Die „Bild“ hatte am Mittwoch berichtet, dass die Bundeswehr in Afghanistan bereits 2011 über ein Überwachungsprogramm namens „Prism“ unterrichtet wurde. Als Beweis legte die Zeitung ein entsprechendes Nato-Dokument vor. Ein brisantes Papier. Denn wenn die Bundeswehr von dem Spionageprogramm wusste, muss auch die Bundesregierung informiert gewesen sein.

Der deutsche Geheimdienst BND erklärte daraufhin, bei dem in Afghanistan eingesetzten Prism handele es sich um ein NATO-Programm. Es trage nur zufällig denselben Namen wie jenes, mit dem der amerikanische Geheimdienst NSA flächendeckend die Internetkommunikation ausspäht. Mit derselben Erklärung trat auch Regierungssprecher Steffen Seibert vor die Presse.

War es doch dasselbe Programm?

Sie deckt sich jedoch nicht mit einem Papier des Verteidigungsministeriums, über das die „Bild“ am Freitag berichtet. Das Verteidigungsministerium erklärt darin, das in Afghanistan eingesetzte Prism-Programm werde ausschließlich von US-Personal bedient. Gibt es also doch nur ein Prism-Programm?

„Merkels Aussage, dass die Bundesregierung keine Kenntnisse vom Überwachungsprogramm der NSA hatte, bricht allmählich wie ein Kartenhaus zusammen“, kommentierte der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lars Klingbeil am Donnerstag. Von der Regierung will Klingbeil wissen, warum sie noch vor zwei Wochen erklärt hat, kein Programm namens Prism zu kennen – „und das, obwohl die Bundeswehr seit 2011 von der Existenz eines solchen Programms gewusst, dieses mit genutzt und Daten in das System eingegeben haben soll.“

Dazu sagte Angela Merkel bei ihrer traditionellen Sommer-Pressekonferenz am Freitag: nichts. „Mir ist völlig unmöglich, hier eine Analyse von Prism vorzunehmen“, behauptete sie stattdessen. „Ich kann doch nur zur Kenntnis nehmen, dass unsere amerikanischen Partner Zeit für die Prüfung brauchen.“ Nachfragen zum angeblich doppelten Prism-Programm wich sie aus.

"Erschreckend", "eine Beleidigung", "hilflos"

Dem Grünen-Politiker Volker Beck platzte noch während der Pressekonferenz der Kragen. Gegenüber Journalisten sagte er: „Merkels Auftritt in der Bundespressekonferenz war nicht nur eine Beleidigung an alle Zuhörer, die Aufklärung erwartet haben, sondern auch eine intellektuelle Beleidigung aller Kanzleramtsmitarbeiter, so zu tun, als hätte man von nichts eine Ahnung.“

Auch der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück schimpfte nach Merkels Auftritt gegenüber Spiegel Online: „Das war ein Auftritt von erschreckender Ahnungs- und Hilflosigkeit." Die Kanzlerin zeige ein "merkwürdiges Amtsverständnis", wenn sie sich damit abfinde, schon mehr als sechs Wochen von den Amerikanern hingehalten zu werden.

Es reiche nicht, „sich in Washington nur lieb Kind machen zu wollen“, betonte auch Frank-Walter Steinmeier. Er forderte eine selbstbewusste deutsche Politik, die sich ein eigenes Urteil zutraue und das massenhafte Ausspähen unbescholtener Bürger nicht einfach hinnehme. Auf die Frage, ob er als ehemaliger Kanzleramtschef selbst etwas von der Überwachung gewusst habe, gab Steinmeier eine klare Antwort: „Die fraglichen Programme Prism und Tempora gab es damals nicht.“

Autor*in
Avatar
Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare