Inland

Viel Merkel, wenig Wahlkampf: SPD kritisiert die Kanzlerin

Egal ob Rente, Bildung, Flüchtlinge - an Themen für den Bundestagswahlkampf mangelt es nicht. Weil sich Angela Merkel meist nur vage äußert, wird die Kritik an ihr schärfer. Auch aus den Reihen der SPD.
von Robert Kiesel · 30. August 2017
Angela Merkel CDU
Angela Merkel CDU

Eigentlich war alles wie immer am Dienstagvormittag im großen Saal der Bundespressekonferenz in Berlin. Bis auf den letzten Platz war der Saal gefüllt, 230 akkreditierte Journalisten aus dem In- und Ausland kamen, um die wahlkämpfende Kanzlerin bei ihrer 21. Sommer-Pressekonferenz zu Antworten zu drängen, die sich später in Schlagzeilen ummünzen lassen würden. Die Reaktionen danach zeigen: Viele Beobachter waren von und mit dem Ergebnis ebenso wenig überrascht wie zufrieden.

Kahrs und Stegner attackieren Merkel

Scharfe Kritik am Auftreten Merkels kam aus den Reihen der SPD. Johannes Kahrs, Bundestagsabgeordneter und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises warf Merkel vor, zu wichtigen politischen Themen zu schweigen. „Frau Merkel äußert sich zu Nebenkriegsschauplätzen, aber nicht zu den wirklich dringenden Themen, für die sich die Menschen an den Infoständen im Wahlkampf interessieren“, sagte Kahrs der Zeitung „Die Welt“ und ergänzte: „Zur Rente, zur Flüchtlingspolitik, zu einem Einwanderungsgesetz – zu alldem verliert sie kein Wort.“

SPD-Vize-Chef Ralf Stegner twitterte am Morgen nach dem Auftritt Merkels:

Zur Erinnerung: Nur wenige Tage zuvor hatte auch Martin Schulz, SPD-Parteichef und Herausforderer von Angela Merkel der Bundeslkanzlerin vorgeworfen: „Angela Merkel hat keinen Plan“.

Frust und Enttäuschung bei Journalisten

Tatsächlich waren sich auch nach der Pressekonferenz Merkels viele einig darin, dass die Kanzlerin in knapp 90 Minuten zwar viele Fragen zugelassen habe, klare Antworten aber schuldig blieb. Einzelne Journalisten kritisierten sogar, die Hauptstadtpresse ließe sich von Merkel „einspeicheln“.

Merkel nennt Attacke auf Özoğuz „rassistisch“

Immerhin, zu dem Aufregerthema der vergangenen Tage, den Angriffen des AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland auf SPD-Staatsministerin Aydan Özoğuz, äußerte sich Merkel klar. Die Aussagen seien „rassistisch“ und „absolut zu verurteilen“. „Alle Kabinettsmitglieder fühlen sich persönlich betroffen“, so Merkel weiter. Von „Rassismus“ hatte zuvor bereits Peter Tauber, Generalsekretär der Christdemokraten, mit Blick auf Aussagen Gaulands in Richtung Özoğuz gesprochen.

Keine Verurteilung von Zustimmung für AfD-Antrag

Danach gefragt, warum die CDU auf Bundesebene eine Zusammenarbeit mit der AfD zwar ausschließe, diese Vorgabe auf Landesebene aber bereits mehrfach unterlaufen wurden, antwortete Merkel ausweichend. Das Vorgehen „entspricht nicht meinen Vorstellungen von nicht zusammenarbeiten“, sagte Merkel und ergänzte: „Ich halte das politisch nicht für richtig.“ Eine klare Verurteilung des Handelns ihrer Parteikameraden in Sachsen-Anhalt, die jüngst einem Antrag der AfD-Fraktion auf Gründung einer Enquete-Kommission zum Linksextremismus zugestimmt hatten, klingt anders, meint zumindest Ralf Stegner:

Nicht ohne den Druck der SPD

Aus sozialdemokratischer Sicht interessant: Nach ihrer persönlichen Regierungsbilanz der auslaufenden Legislatur befragt, räumte Merkel – wenn auch indirekt – zwei Erfolge der SPD ein. So war die von der Union favorisierte Vorstellung einer branchenspezifischen Lohnuntergrenze laut Merkel „mit der Sozialdemokratie nicht zu machen“, der allgemeine Mindestlohn sei Ergebnis eines Kompromisses. Mit Blick auf die „Ehe für alle“ räumte Merkel ein, die CDU habe „die Abstimmung sehr lange aufgehalten“ – die Öffnung der Abstimmung als „ Gewissensentscheidung“ sei am Ende aber nicht mehr zu verhindern gewesen.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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