Victor Ponta beschwört „sozialdemokratisches Projekt für Europa“
Im Vorjahr der Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 diskutierten am Montag der rumänische Premierminister Victor Ponta und Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Europaangelegenheiten von Nordrhein-Westfalen, mögliche gemeinsame Projekte der europäischen Sozialdemokratie.
Eine vorsichtige Neuorientierung für Europa
Obwohl die europäischen Sozialdemokraten in 2009 ernüchternde Wahlergebnisse einfuhren, sieht Victor Ponta für 2014 die „öffentliche Stimmung auf unserer Seite“. Die sozialdemokratischen Parteien seien die einzigen, die „mehr Europa“ wollen und deshalb „braucht Europa ein sozialdemokratisches Programm“. Statt visionär müsse dieses jedoch realisierbar sein. Ein pragmatischer Kurs solle verhindern, dass uneinlösbare Wahlversprechen durch einen „Rechtsschwenk“ nach der Wahl verraten werden. Ponta räumt ein, er wende sich damit ab von „zu linken Positionen“.
Angelica Schwall-Düren dagegen skizziert ein ambitioniertes Programm: Es müsse einen europaweiten Mindestlohn, feste Untergrenzen für Sozialleistungen und eine Harmonisierung der europäischen Steuersysteme enthalten, um den Abbau der nationalen Sozialsysteme zu beenden. Ein Wachstumsimpuls könne durch massive Investitionen in Bildung und Ausbildung gegeben werden, so Schwall-Düren.
Solidarität gegen soziale Krise und Wettbewerb
Die Herausforderungen seien groß, sagt Ponta. Sorgen bereite ihm besonders die „soziale Krise“, da die hohe Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit in Europa „eine verlorene Generation der 20 bis 25-Jährigen“ hervorbringe. Hinzu komme der weltweite Standortwettbewerb mit den USA, China und anderen, den man zu bestehen habe. Die spürbare soziale Krise schüre populistische, euroskeptische Bewegungen, die bereits 2014 Plätze im Europäischen Parlament bekommen könnten, warnt der Premierminister.
Als Mittel gegen die soziale Krise unterstreicht der Premierminister die Rolle des „Solidaritätsgedankens als wichtigsten Gedanken des europäischen Projekts“. Diese Orientierung wird aber auf die Probe gestellt durch das Phänomen tausender Menschen, die ihrer Armut in Rumänien und Bulgarien entfliehen – teilweise mit dem Ziel Deutschland.
Wo ist er, der Zusammenhalt der sozialdemokratischen Familie?
Für Victor Ponta hat die Integration der in Armut lebenden Sinti und Roma erste Priorität, da diese auch in ihrem Heimatland Rumänien ausgegrenzt seien. Um dem zu begegnen, habe die rumänische Regierung schon einige Maßnahmen umgesetzt. Dazu gehört etwa die bevorzugte Einstellung von Minderheiten im öffentlichen Dienst, um diese Bevölkerungsgruppen stärker teilhaben zu lassen. Ponta bittet um Verständnis, dass gesetzliche Maßnahmen zwar kurzfristig wirken können, wir aber eine langwierige „Änderung der gesellschaftlichen Kultur brauchen“. Die überzogene Medienberichterstattung sei allerdings eine Gefahr, schüre sie doch die Fremdenfeindlichkeit in den Aufnahmeländern.
Dabei sind die Chancen für eine grenzüberschreitende „sozialdemokratische Politik, die für alle Bürger und Minderheiten da ist“, wie Ponta sie fordert, günstig. Dortmund, Duisburg und Köln, Sammelorte der Armutsflüchtlinge, sind SPD-regiert. Ja, es gibt Ressentiments auch in der SPD. Ohne Zweifel wolle die Partei aber den Einwanderern medizinische Versorgung, menschliche Arbeitsplätze und ihren Kindern eine Schulbildung ermöglichen, versichert Angelica Schwall-Düren. Die Kommunen müssten deshalb besser unterstützt werden.