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Verstaatlichung von Uniper: Warum die SPD keine Gasumlage mehr will

Mit der Gasumlage sollen Unternehmen wie Uniper gestützt werden. Doch wie sinnvoll ist die noch, wenn der größte Gasversorger nun direkt verstaatlicht wird? Das wird jetzt in der SPD-Bundestagsfraktion in Frage gestellt – mit Unterstützung von außen.
von Benedikt Dittrich · 21. September 2022
Mit der Verstaatlichung von Uniper steht auch die Gasumlage wieder zur Debatte.
Mit der Verstaatlichung von Uniper steht auch die Gasumlage wieder zur Debatte.

Verena Hubertz ist am Mittwochvormittag deutlich: „Mit der Übernahme von Uniper sollte auch die Einführung der Gasumlage wieder auf den Tisch und ernsthaft reevaluiert werden.“ Hubertz ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Damit ist klar: Die Gasumlage, mit der Unternehmen gerettet werden sollten, die russisches Gas kaufen und verkaufen, steht in der Regierungskoalition offen zur Debatte.

2,419 Cent pro Kilowattstunde Gas, so hoch sollte die Gasumlage ab Oktober ausfallen. Das war der Preis, der im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima von Robert Habeck (Grüne) für die ersten drei Monate berechnet worden war. Damit sollten Unternehmen wie Uniper gestützt werden. Denn der Gasimporteur häuft derzeit täglich Schulden in Millionenhöhe an, weil es auf dem Weltmarkt Erdgas zu Höchstpreisen einkaufen muss, um Stadtwerke und andere Vertragspartner*innen zu bedienen. Uniper erfüllt seine Verpflichtungen eigentlich mit dem Import von russischem Gas – die Liefermengen sind eigentlich über langfristige, günstige Verträge gesichert. Nur liefert der russische Staatskonzern Gazprom kaum noch Gas nach Europa. Aus Sicht der Bundesregierung mit vorgeschobenen Ausreden. Die Energieexporte werden als Waffe genutzt, so die einhellige Meinung, Russland bricht einseitig die Verträge.

Umlage als Schutz vor Insolvenzen

Mit der Gasumlage sollte eigentlich jeder Haushalt, jedes Unternehmen ab Oktober über den Gasverbrauch nun die Schulden der Gas-Importeur*innen mittragen. Betroffen ist nicht nur Uniper, das größte Energieunternehmen auf dem Gasmarkt würde aber einen überwiegenden Teil der Umlage erhalten. Ohne die Hilfe droht die Insolvenz und die könnte widerum dazu führen, dass Stadtwerke und andere, die die Kund*innen letztlich mit Gas für Heizungen, Maschinen und Industrieprozesse versorgen, ebenfalls in den Abgrund gerissen würden – ein Domino-Effekt mit unabsehbaren Folgen für die Grundversorgung würde einsetzen.

Dass die Gasumlage in der SPD nicht das bevorzugte Instrument ist, um das zu verhindern, ist kein Geheimnis. Schon im August hatte SPD-Wirtschaftsexperte Bernd Westphal im Gespräch mit dem „vorwärts“ durchblicken lassen: „Auch wenn ich die Beweggründe für die Umlage nachvollziehen kann, wäre es aber aus meiner Sicht einfacher und vor allem gerechter, die Kosten über Steuermittel zu finanzieren und nicht über die Gasrechnung.“ Auch Wirtschaftsexpert*innen außerhalb der SPD-Fraktion bezweifelten, dass die Umlage die bestmögliche Lösung sei.

Verstaatlichung entfacht neue Debatte

Letzteres passiert im Grunde, sollte Uniper nun verstaatlicht werden – und damit würde Uniper gleich auf doppeltem Wege von Steuerzahler*innen gestützt werden. Wenig sinnvoll, zumindest aus SPD-Sicht, wie Verena Hubertz ergänzt: „Das wäre sonst linke Tasche, rechte Tasche.“

Noch am Dienstag hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bei der Bewertung auf eine Anhörung von Expert*innen am Freitag verwiesen. Auch die Gasumlage könnte dort neu bewertet weden. „Die Schlussfolgerung werden wir in den nächsten Tagen ziehen“, so Mützenich auf Nachfrage. Auch innerhalb der Bundesregierung soll die Umlage noch einmal überprüft werden.

Rückenwind aus Fraktion und Wissenschaft

Dabei ist die Gasumlage den Sozialdemokrat*innen offenbar noch aus einem anderen Grund ein Dorn im Auge: Es ist eine zusätzliche Belastung für Privathaushalte sowie kleine und mittelständische Betriebe. So pochte Matthias Miersch, ebenso wie Hubertz Fraktionsvize, darauf, den Grundbedarf von Familien und Wirtschaft kostengünstig bereitzustellen. Ein Ansinnen, das aus Hubertz Sicht mit der doppelten Stütze für Uniper – Umlage und Verstaatlichung – offensichtlich unvereinbar ist. „Es wäre vor allem eine wichtige Entlastung für die Wirtschaft in diesen schweren Zeiten“, meint Hubertz mit Blick auf die Umlage, auf Nachfrage lässt sie bei Twitter außerdem durchblicken, dass nach der Bewertung die Gasumlage bestenfalls „vom Tisch“ sei. Die parlamentarische Geschäftsführerin, Katja Mast, sprach gegenüber Journalist*innen am Mittwoch von „erheblichen rechtlichen und politischen Fragen“ bezüglich der Gasumlage. Nach der kritischen Prüfung könne auch ein „Nein“ zur Gasumlage stehen, bekräftigte die Sozialdemokratin die Bedenken der SPD.

Unterstützung bekommt die SPD-Fraktio dabei wieder aus Wissenschaftskreisen, beispielsweise vom Ökonom Jens Suedekum. „Wäre merkwürdig, wenn die Gasumlage nach der Verstaatlichung von Uniper bestehen bliebe. Bald kommt ja vermutlich eh ein Preisdeckel für den Grundverbrauch. Wozu also erst Preise über Umlage erhöhen und danach wieder deckeln?“, fragt er. Er schlägt einen staatlichen Sonderfonds vor, aus dem die Kosten gestemmt werden sollten – vom Gaspreisdeckel bis zu dem Preis, den die Bundesregierung zahlen muss, um Uniper zu verstaatlichen.
Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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