Verfassungsschutzbericht: Immer mehr Extremisten in Deutschland
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Aller guten Dinge sind drei. Das hat sich vielleicht Bundesinnenminister Horst Seehofer gedacht. Seit Wochen liegt der aktuelle Verfassungsschutzbericht vor. Zwei Termine waren für die Vorstellung angesetzt, doch Seehofer ließ beide platzen. Als zentrale Figur im zähen Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU um die Asylpolitik hatte er offenbar andere Prioritäten.
Mehr Abschiebungen gefordert
Nun also der dritte Versuch. Und Seehofer erscheint tatsächlich in der Bundespressekonferenz in Berlin und stellt den Bericht vor. „Die Bedrohungen für die freiheitliche Gesellschaft sind vielfältig“, sagt er und zählt auf: Islamismus, Rechts- und Linksextremismus, Cyberattacken, Reichsbürger. „Wir müssen uns vor Extremisten aus unterschiedlichsten Bereichen schützen.“
Im Mittelpunkt steht der religiöse Fundamentalismus. Der CSU-Politiker sagt, dass im vergangenen Jahr 774 islamistische Gefährder erfasst gewesen seien. Das sind „so viele Personen wie nie zuvor, denen wir die Begehung schwerer Straftaten zutrauen“. Für Seehofer ist klar: „Die konsequente Abschiebung von Gefährdern ist ein elementarer Baustein für die Sicherheit in Deutschland“. Dabei müssten die Behörden "noch besser werden". Die Forderung, dass zukünftig der Bund für deren Abschiebung zuständig sein soll, nennt er „überlegenswert“.
Ein Drittel ist zurückgekehrt
Im Blick haben die Verfassungsschützer auch diejenigen Islamisten, die in das Gebiet des sogenannten Islamischen Staats gereist sind. Laut Verfassungsschutzbericht sind mehr als 1000 Menschen nach Syrien und Irak gegangen. Es wird vermutet, dass dort 190 von ihnen ums Leben gekommen ist. Rund ein Drittel der Ausgereisten sei allerdings in der Zwischenzeit in die Bundesrepublik zurückgekehrt, sagt Seehofer. Vom islamistischen Terrorismus gehe eine „anhaltend hohe Bedrohung“ aus, so der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen. In den Fokus rückten neben Rückkehren und islamistischen Terrorkommandos zunehmend Einzeltäter.
Maaßen geht auch auf die steigende Zahl der Islamisten in Deutschland ein, die im Jahr 2017 um sechs Prozent auf 26.000 Menschen gewachsen sei. Noch größeren Zulauf hat der Salafismus, einer radikalen und rückständigen Auslegung des Islams. Der Verfassungsschutzbericht beziffert die Zahl der Salafisten auf 10.800 Menschen (2017: 9.700) – ein Plus von elf Prozent. „Der Salafismus ist die am dynamischsten wachsende Bewegung in Deutschland“, sagt Maaßen.
Fremdenfeindlich motiviert
Ein hohes Gefährdungspotenzial bescheinigt der Verfassungsschutzbericht der rechtsextremen Szene. Rund 12.700 Rechtsextremisten gelten als gewaltorientiert, so Bundesinnenminister Seehofer. Das rechtsextreme Personenpotenzial ist im vergangenen Jahr um 900 Aktivisten auf 24.000 gestiegen.
Die rechtsextrem motivierten Straftaten sind hingegen im Vergleich zum Vorjahr auf 19.467 Vorfälle (2016: 22.471) zurückgegangen. Mit 1.056 Fällen ist auch die Zahl der Gewaltdelikte um mehr als ein Drittel gesunken (2016: 1600), davon waren allerdings knapp drei Viertel fremdenfeindlich motiviert.
Ablehnung der Bundesrepublik
Stark angestiegen ist dem Verfassungsschutzbericht zufolge die Zahl der sogenannten „Reichsbürger“, die die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen. Zu ihnen zählten die Behörden im Jahr 2017 16.500 Menschen (2016: 10.000). Die Szene bestehe zum überwiegenden Teil (74 Prozent) aus Männern älter als 40 Jahre, heißt es. Ein Teil der „Reichsbürger“ sei zu „schwersten Gewalttaten bereit“ und würde eine „hohe Affinität zu Waffen“ aufweisen, halten die Verfassungsschützer fest.
Verfassungsschutzpräsident Maaßen zufolge haben die Sicherheitsbehörden seit 2016 in der Szene 450 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen. Auch Rechtsextremisten tummeln sich im „Reichsbürger“-Spektrum. Deren Anzahl ist auf 900 angestiegen (2016: 500).
Steigende Zahlen wegen G20-Gipfel
Steigende Zahlen verzeichnet der Verfassungsschutzbericht ebenfalls hinsichtlich des Linksextremismus. Demzufolge gab es im vergangenen Jahr rund 9000 gewaltbereite Linksextremisten (2016: 8.500) – „ein neuer Höchststand“, so Seehofer. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 6.393 linksextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten (2016: 5.230) und davon 1.648 Gewalttaten (2016: 1.201) verübt. Darin eingerechnet ist auch die Zahl der Angriffe auf die Sicherheitsbehörden, die um 65 Prozent auf 1135 (2016: 687) gestiegen sind.
Die allgemeine Zunahme lässt sich dem Bericht zufolge auf den G20-Gipfel in Hamburg im vergangenen Jahr zurückführen. Seehofer bezeichnet sie als die „gewalttätigsten Ausschreitungen der vergangenen Jahre“ mit einem „beispiellosen Mobilitätspotential“.