Verfassungsschutzbericht: Flüchtlinge im Visier der Rechten
Militanz und Gewalt im rechtsextremen Spektrum sind unverändert hoch, warnte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichts für 2014 am Dienstag in Berlin. Von den 21 000 Personen, die dem rechtsextremen Spektrum zugerechnet werden, gelte nach wie vor jeder zweite als gewaltbereit, erklärte er.
Die von Rechtsextremisten verübten Gewalttaten, die meisten davon Körperverletzungen, sind demnach um knapp ein Viertel auf 990 Vorfälle (2013: 801) angestiegen. Mehr als die Hälfte davon (512 Fälle) wurde aus fremdenfeindlicher Motivation begangen. Erheblich zugenommen haben auch die Attacken gegen Flüchtlingsunterkünfte. Waren es 2013 noch 55 Vorkommnisse, so wurden im vergangenen Jahr 170 gezählt und im ersten Halbjahr 2015 waren es bereits 150 Übergriffe. Personenschäden würden bei den Anschlägen auf Asylbewerberheime zum Teil billigend in Kauf genommen oder geplant, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Nach Angaben der zivilgesellschaftlichen Amadeu-Antonio-Stiftung hat es im vergangenen Jahr bundesweit 81 Übergriffe auf Flüchtlinge, 36 Brandanschläge und 211 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte sowie 292 flüchtingsfeindliche Kundgebungen gegeben.
Hetze gegen Flüchtlinge als Nährboden der Rechten
Die Anti-Asyl-Agitation bildet für die rechtsextreme Szene nach wie vor einen Schwerpunkt. Dem Präsidenten des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen zufolge suchten Rechtsextremisten mit dem Flüchtlingsthema Anschluss in der Bevölkerung zu erlangen. Mit ihrer fremdenfeindlichen Hetze und durch das Befeuern von Vorurteilen und Ängsten wollten sie die Stimmung gegenüber Fremden vergiften. So finden auch immer wieder örtliche Kampagnen und Aufmärsche von so genannten Bürgerinitiativen gegen Flüchtlinge mit Beteiligung beziehungsweise unter Federführung von NPD & Co. statt. Auch bei den Gida-Demonstrationen etwa in Dresden oder Leipzig beobachtet der Verfassungsschutz, dass Rechtsextremisten versuchten, Einfluss zu nehmen.
Das rechtsextreme Personenspektrum ist zahlenmäßig leicht rückläufig, 7200 Personen (minus 200) werden den subkulturell geprägten Rechtsextremisten und 5600 (minus 200) den Neonazis zugerechnet. Mitgliederstärkste Partei ist immer noch die NPD, der mit jetzt noch 5200 Anhängern weitere 300 verloren gegangen sind. Dem Verfassungsschutz zufolge befindet sich die NPD „personell, strategisch und wahlpolitisch“ in einer schweren Krise. Der neue Parteivorsitzende Franz sei eine „Verlegenheitslösung“, dem die Machtbasis in dem von Neonazis durchsetzten Parteivorstand fehle. Die Schärfe der parteiinternen Auseinandersetzungen hätte zugenommen – ungeachtet der personellen und finanziellen Probleme und des anhängigen Verbotsverfahrens.
Neonazi-Aktivitäten unter dem Deckmantel des Parteienprivilegs
Konkurrenz ist der NPD durch zwei braune Kleinparteien erwachsen, die von Neonazis aus verbotenen Organisationen als parteipolitische Plattform genutzt werden. Die von dem bekannten Neonazi Christian Worch gegründete Partei „Die Rechte“ verfügt über rund 500 Anhänger und nach eigenen Angaben über zehn Landesverbände. Insbesondere der aktivste und die Partei dominierende Landesverband Nordrhein-Westfalen wird durch ehemalige Kader der 2012 verbotenen Kameradschaften „Nationaler Widerstand Dortmund“ und die „Kameradschaft Hamm“ geführt. Mit einem Mandat ist martialisch auftretende Partei „Die Rechte“ seit 2014 im Dortmunder Stadtrat vertreten.
Süddeutsche Neonazis um das im vergangenen Jahr verbotene Netzwerk „Freies Netz Süd“ haben wiederum die neue Kleinstpartei „Der III. Weg“ in den Blick genommen. Dieser baut mittlerweile neben Süddeutschland Parteistrukturen auch in Thüringen, Sachsen und Brandenburg auf. Im sächsischen Plauen verfügt er inzwischen durch den Übertritt eines NPD-Abgeordneten über ein kommunales Mandat. Für den Verfassungsschutz haben „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ lediglich die Nutzung einer verbotssicheren Struktur unter dem Deckmantel des Parteienprivilegs zur Fortführung ihrer neonazistischen Aktivitäten zum Ziel.
Erwähnung im Verfassungsschutzbericht findet auch wieder die fremdenfeindliche Regionalpartei „pro NRW“, die sich inzwischen allerdings weitgehend selbst zerlegt hat.