ver.di kritisiert: Handelsverband will Kassierer*innen das Gehalt kürzen
Florian Gaertner/photothek.net
1,8 Prozent mehr Gehalt sollte den Kassierer*innen laut 2019 vereinbarter Tariflohnerhöhung zum 1. Mai zustehen. Doch der Handelsverband Deutschland (HDE) will die Zahlung nun mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Unternehmen im Einzelhandel eigenmächtig umwidmen und sie als kleine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes nutzen.
Lohnerhöhung für viel gelobte Kassierer*innen ein Muss
Die Gewerkschaft verdi reagiert mit scharfer Kritik und lehnt den vom HDE in der Öffentlichkeit geäußerten Vorschlag ab. Die vereinbarte Lohnerhöhung sei eine vertragliche Abmachung und könne gar nicht einseitig aufgekündigt werden, erklärt Günter Isemeyer, Sprecher beim ver.di-Bundesvorstand. Sie sollte auch den derzeit viel gelobten Kassierer*innen zustehen, denen stattdessen eine Gehaltskürzung drohe.
Man sei immer bereit zu verhandeln, wenn ein Einzelunternehmen in die Schieflage gerät, ergänzt Isemeyer. Für diese Situation gebe es Sanierungstarifverträge. Dabei wird zunächst geprüft, ob ein Unternehmen wirtschaftlich eine Zukunft habe. Dann würde gemeinsam mit den Beschäftigten beziehungsweise Betriebsräten beraten, ob und wo eingespart werden kann, wie lange die Maßnahme dauern soll und zu welchem Zeitpunkt der Tarifvertrag wieder in voller Höhe zur Anwendung kommt. Ergebnis ist ein gemeinsamer Zukunftsplan von Arbeitgebern und Arbeitnehmer*innen.
Gelder auf Kosten der Beschäftigten einzusparen
Das nun der Handelsverband die Gelegenheit nutzen will, um in der Krise Gelder auf Kosten der Beschäftigten einzusparen, sei „nicht sonderlich seriös“, sagt Isemeyer. Er würde zudem die Bemühungen der Bundesregierung unterschlagen, die Milliarden in Einzelhandelsunternehmen investiere, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise aufzufangen. Dazu bekämen die Unternehmen bei Kurzarbeit ihre Sozialabgaben zu 100 Prozent ersetzt.
Bereits am Mittwoch hatte verdi kritisiert, dass der Handelsverband eine bundesweite Regelung zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes im Einzelhandel auf 90 Prozent ablehnt. Die Einkommensreduzierung durch das Kurzarbeitergeld auf 60 bzw. 67 Prozent für Beschäftigte mit Kindern stürze viele Einzelhandelsbeschäftigte in existenzbedrohende Notlagen, so die Befürchtung. „Unternehmen im Handel, die nur Geld nehmen, aber nicht auch Verantwortung für die Beschäftigten übernehmen, dürfen aus meiner Sicht keine staatliche Unterstützung erhalten“, betonte hierzu ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Es sei „unverantwortlich vom Handelsverband Deutschland, die Beschäftigten in dieser Situation mit 60 Prozent des Gehaltes im Regen stehen zu lassen und die eigene Verantwortung auf die gesamte Gesellschaft abzuwälzen“.
Umso erfreulicher sei es, dass viele Unternehmen der Branche wie Primark, H&M, Zara, Walbusch oder Fielmann bereits eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 und 100 Prozent vereinbart haben.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.