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Verbraucherpolitik: „Geiz ist geil ist vorbei“ – Wirklich?

Werden Verbraucher und Arbeitnehmer in Deutschland gegeneinander ausgespielt? Das stand zumindest für einige der Diskutanten auf der fünften Jahrestagung des Themenforums Verbraucherpolitik der SPD außer Frage.
von Markus Hüttmann · 17. Oktober 2017
Billig kann Arbeitnehmer teuer zu stehen kommen: Über das Spannungsfeld zwischen Arbeitnehmerrechten und Verbraucherinteressen diskutierten die Teilnehmer des SPD-Verbraucherforums.
Billig kann Arbeitnehmer teuer zu stehen kommen: Über das Spannungsfeld zwischen Arbeitnehmerrechten und Verbraucherinteressen diskutierten die Teilnehmer des SPD-Verbraucherforums.

Unter dem Motto „Gute Arbeit, verbraucherfreundliche Märkte – Gewerkschaften und Konsumenten zwischen Konflikt und Solidarität“ kamen im Berliner Willy-Brandt-Haus Experten aus verschiedenen Bereichen zu einer Podiumsdiskussion zusammen und diskutierten über das Spannungsfeld zwischen Arbeitnehmerrechten und Verbraucherinteressen.

Spielt die Behandlung von Arbeitnehmern in einem Unternehmen eine Rolle für die Kaufentscheidung der Kunden? Dieser Frage ging Peter Kenning, Professor für Marketing an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, in einer repräsentativen Studie nach. Der auch aus sozialdemokratischer Perspektive unbefriedigende Befund: „Im aktuellen Kaufverhalten spielt gute Arbeit bis jetzt kaum eine Rolle“, bilanziert Kenning trocken.

Ein Drittel bereit, beim Konsum auf gute Arbeit zu achten

Was die Daten allerdings auch hergeben: Theoretisch wären etwa 37,5 Prozent der insgesamt 916 Befragten durchaus bereit, bewusst Produkte von Unternehmen mit guten Arbeitsbedingungen zu kaufen. Warum aber spielt diese „latente Zahlungsbereitschaft“, wie Kenning es nennt, bisher keine größere Rolle? „Es ist ein Marketingproblem“, glaubt der Ökonom. Kunden seien unzureichend informiert und hätten oft gar keine Möglichkeit, gute Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen zu erkennen. Aus Kennings Sicht müssten daher die Unternehmen handeln, die 37,5% der Befragten seien schließlich auch eine bisher nur unzureichend erschlossene Zielgruppe.

Aus dem Publikum ertönt dazu Widerspruch: Warum setzt der Forscher zur Förderung guter Arbeitsbedingungen nur auf Verbraucher und Unternehmen statt auf den Gesetzgeber? Kennings etwas defensive Entgegnung: Er als Ökonom schaue eben eher auf marktwirtschaftlichen Instrumente.

Keine einfachen Lösungen

„Wie kommen wir politisch weiter?“ ist dann auch die Leitfrage, die Moderator Christopher Thorun den Teilnehmern der Podiumsdiskussion stellt. Während Marion Jungbluth von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) viel Raum für Bündnisse zwischen Verbrauchern und Arbeitnehmern sieht, ist Martin Beckmann von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di skeptisch, ob sich das „Interessendreieck“ aus Gewinnorientierung (Unternehmen), guter Arbeit (Arbeitnehmer) und guten, günstigen Produkten (Verbraucher) harmonisieren lässt.

Das sieht Christoph Hahn vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ähnlich, verweist aber auch auf positive Beispiele wie den verhinderten Preisaufschlag auf den Ticketverkauf am Schalter bei der Deutschen Bahn, der Verbraucher wie Arbeitnehmer gleichermaßen getroffen hätte. Hahn: „Geiz ist geil ist vorbei“, der Kunde sei heutzutage reflektierter. Ulrich Kelber, parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, gibt den Pessimisten in der Runde: „In der Praxis erlebe ich keine Zusammenarbeit, eher ein Gegeneinander“, erklärt er, und dämpft Erwartungen nach schellen Lösungen.

Aufgebracht weist Martin Beckmann auf schlimme Zustände beim Versanddienstleister Amazon hin: Ständige Überwachung, exorbitante Krankenstände, und eine betriebsratsfeindliche Arbeitskultur, die „die Arbeiter dem Kapital“ unterordnet. Verbraucher bräuchten mehr Informationen über solche Zustände, fordert er.

SPD muss sich klar positionieren

Vor einer Überforderung der Verbraucher hingegen warnt Marion Jungbluth: Immer mehr Labels und Informationen würden die Kunden nur verwirren. Politik und Unternehmen seien in der Pflicht. Sandra Reus vom Dialogprojekt „Denkraum Arbeit“ wiederum will die Konsumenten nicht ganz von der Leine lassen und fordert den „verantwortungsvollen Verbraucher“.

Einig sind sich die Diskutanten letztlich aber in einem: Von der wahrscheinlichen künftigen Regierungskoalition aus CDU, FDP und Grünen erhofft sich in der Sache niemand nennenswerte Fortschritte: Auch deswegen muss sich die SPD das Thema Verbraucherpolitik zu eigen zu machen, fordert Martin Beckmann, und stößt damit auf breite Zustimmung im Raum.

Autor*in
Markus Hüttmann

ist bis zum 1. Dezember 2017 Praktikant in der Redaktion des vorwärts. Der gebürtige Hamburger studiert Politikwissenschaft im Master an der Freien Universität Berlin.

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