Inland

Verbraucher wählen ab heute die dreisteste Werbelüge 2018

Überteuertes Mineralwasser, als gesund beworbene Zuckerbomben, gepanschtes Olivenöl: foodwatch hat die Kandidaten für den „Goldenen Windbeutel“ bekanntgegeben und fordert strikteres Vorgehen gegen Verbrauchertäuschung im Supermarkt.
von Katharina Korn · 6. November 2018

Ab sofort können Verbraucher*innen online unter www.goldener-windbeutel.de bis zum 2. Dezember abstimmen, wer den „Goldenen Windbeutel“ – der Schmähpreis für die „dreisteste Werbelüge des Jahres“ – gewinnen soll. Die Verbraucherorganisation foodwatch hat fünf Kandidaten nominiert, die exemplarisch für Etikettenschwindel im Lebensmittelmarkt stehen. Ausgewählt wurden sie aus den Beschwerden auf www.schummelmelder.de, wo Verbraucher*innen in den letzten Wochen unterschiedliche Produkte hochgeladen haben, von denen sie sich besonders getäuscht fühlen. Das Rennen machen dieses Jahr:

Smartes Leitungswasser

Coca-Colas „Smartwater“, das nicht besser als ein normales Mineralwasser ist, dafür aber siebenmal teurer. „Wir lassen natürliches Mineralwasser verdampfen und kondensieren und fügen dann Mineralsalze hinzu, um Smartwater seinen klaren und frischen Geschmack zu verleihen“, schreibt Coca-Cola über sein Bearbeitungsverfahren. Tätsächlich steckt ein völlig überflüssiger und teurer Trick dahinter, sagt foodwatch. Denn beim Verdampfen des Wassers werden die eigentlich schon enthaltenden Mineralstoffe zerstört und müssen demnach später wieder künstlich hinzugefügt werden. Außerdem ist das smarte Wasser nach Angaben von Coca-Cola rechtlich nicht als Mineralwasser, sondern nur als Tafelwasser klassifiziert. „Smart ist höchstens das Marketing, mit dem Coca-Cola sich am Grundnahrungsmittel Nummer eins bereichert“, lautet die Kritik von foodwatch auf der Pressekonferenz.

Auch Bio mogelt

Der nächste Kandidat ist von einem Biohersteller, von dem man eigentlich erwarten würde, dass er sein Werbeversprechen hält: Dennrees „Bratöl Olive“. In Wahrheit besteht das Produkt zu 49 Prozent aus weniger hochwertigen Sonnenblumenöl. Auf dem Etikett sind aber trotzdem nur Olivenpflanzen abgebildet. Das ist gesetzlich erlaubt. Denn laut einer EU-Verordnung dürfen gemischte Pflanzenöle, die mehr als 50 Prozent Olivenöl enthalten, bildlich auch als Olivenöl dargestellt werden.

Der Erbseneintopf von Edekas Hausmarke „Gut und günstig“ verspricht „Garantiert ohne: geschmacksverstärkende Zusatzstoffe und Farbstoffe“. Dafür ist das Produkt jedoch knapp zur Hälfte aus Zusatzstoffen, die nicht als Geschmacksverstärker definiert sind, zusammengesetzt.

Gleiches drin, anderer Preis

Heinz vermarktet zwei seiner Podukte als zucker- und salzreduziert: den „Kids Tomato Ketchup“ und den Ketchup mit „50 % weniger Zucker & Salz“. Beide Sorten enthalten exakt die selben Inhaltsstoffe. Die Kinder-Variante kostet aber viel mehr als das Pendant für Erwachsene. Der Zuckeranteil wird an dritter Stelle in der Zutatenliste genannt und trotzdem mit bunten Buchstaben auf der Verpackung für Kinder vermarktet.

Der fünfte Kandidat für den Goldenen Windbeutel 2018 ist der „Corny Milch“-Riegel, der vom Hersteller Schwartau als gesunder Snack „mit einem Plus an Calcium" und „mit wertvollem Getreide“ beworben wird – eine Werbelüge, denn der Riegel besteht zur Hälfte aus Fett und Zucker.

Kuschelkurs der Politik

Theoretisch hat das europäische Lebensmittelrecht den Anspruch, Verbraucher*innen vor Täuschung zu schützen. Den Herstellern wird aber bei der Ausgestaltung des Rechts – etwa dabei, welche Angaben notwenig und welche freiwillig sind – viel Handlungsspielraum gelassen. Deswegen ist Verbrauchertäuschung in der Praxis alltäglich, ohne dass Hersteller dabei die rechtlichen Vorgaben brechen, so foodwatch.

Sophie Unger, Wahlleiterin für den Goldenen Windbeutel, fordert „die Hersteller müssen ihre Produkte ehrlich und leicht verständlich kennzeichnen. Die Lösung kann nicht sein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher lernen, sich im Täschungs-Dschungel zurechtzufinden.“ Die Politik sei in der Verantwortung, endlich für klare gesetzliche Kennzeichnungsvorgaben zu sorgen, so Unger. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) sei aber bisher mit einem „Kuschelkurs“ gegen die legale Verbrauchertäuschung im Supermarkt vorgegangen, äußerte sich Unger.

Im Gegensatz dazu erklärt Ursula Schulte, ernährungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: „Gesunde und ausgewogene Ernährung bedeutet: Weniger Zucker, weniger Salz, weniger Fett. Da müssen wir hin – mit klaren Zeit- und Zielvorgaben. Wir brauchen eine Reduktionsstrategie. Vereinbarungen mit der Wirtschaft, die lediglich auf Freiwilligkeit beruhen, helfen nicht weiter."

Auch zwischen den Unternehmen gäbe es keinen energischen Qualitäts-, sondern nur einen Preiswettbewerb, bemängelt die Verbraucherschutzorganisation. Gerade von Qualitätsanbietern würde sich foodwatch aber mehr Widerstand wünschen.

 

Autor*in
Katharina Korn

studiert Geschichte und Deutsche Literatur und war Praktikantin in der vorwärts-Redaktion von Oktober bis Dezember 2018.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare