Inland

Verantwortungseigentum: Eine neue GmbH für eine neue Wirtschaft

Die Stiftung Verantwortungseigentum hat der Politik einen Gesetzesentwurf überreicht: Junge Unternehmer*innen fordern eine neue Rechtsform für sich, um langfristig Beteiligungsmöglichkeiten und Unternehmensziele vor Investoren zu schützen. Vorbild: das traditionelle Familienunternehmen.
von Benedikt Dittrich · 7. Oktober 2020
Unternehmerverantwortung: Gründer*innen wünschen sich eine neue Gesellschaftsform.
Unternehmerverantwortung: Gründer*innen wünschen sich eine neue Gesellschaftsform.

Was ist der Sinn eines Unternehmens? Eine Antwort auf diese Frage könnte lauten: Gewinn zu machen, Geld zu verdienen. Doch ist das die einzige Antwort? Nein, sagt Armin Steuernagel am Mittwoch bei der Robert-Bosch-Stiftung. Er nennt verschiedene Familienunternehmen als Beispiel, die den Wirtschaftsstandort Deutschland seit Jahrzehnten prägen, soziale Verantwortung für Mitarbeiter*innen, Umwelt und Gesellschaft übernehmen – angefangen beim Namensgeber der Stiftung, in deren Räumen er am Mittwoch spricht, bis hin zu Zeiss, Alnatura und anderen, unterschiedlich großen Unternehmen in Deutschland.

Steuernagel ist Unternehmsgründer und Vorstandsmitglied der Stiftung Verantwortungseigentum. „Wir wollen die soziale Marktwirtschaft fit machen für das 21 Jahrhundert“, erklärt er. Mit zahlreichen Unterstützer*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik setzt sich die Stiftung für eine neue Unternehmensform ein, eine „neue“ Art von GmbH. Der Anspruch: Schon in der Rechtsform eines Unternehmens Werte und Verantwortung festschreiben, die auch dann noch Bestand haben, wenn sich die Unternehmensführung ändert, Investoren einsteigen oder die Firma verkauft wird. Eine Abkehr von einer reinen Gewinnorientierung, hin zu einer Verantwortung oder einem Zweck, der von Beschäftigten und Anteilseigner*innen unterstützt wird. Ein Familienunternehmen ohne Familie.

Schutz vor Profitgier von Investoren

Eine Rechtsform, die es aktuell nicht gibt, bemüht sich Steuernagel zu verdeutlichen. Es gebe zwar Familienunternehmen, deren Gründer*innen nach bestimmten Werten handeln, doch diese Unternehmenswerte seien nicht festgeschrieben und davon abhängig, wer das Unternehmen führe. Würde das Unternehmen irgendwann verkauft oder fehle der Nachwuchs, gingen diese Werte verloren. Mit sinkender Verantwortung beispielsweise für Mitarbeiter*innen, die Gesellschaft, Umwelt oder andere Zielen abseits von Gewinnen. „Es ist die Lösung des Buddenbrook-Problems", erklärte der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther vom Insitut der Wirtschaft in Köln, also der Gefahr, dass mit den nachfolgenden Generationen im Familienunternehmen irgendwann Ziele und Erfolge aus der Gründungszeit auf der Strecke bleiben. In der neuen Rechtsform, so der Anspruch, könnten die Mitarbeiter*innen als Beteiligte die neue Familie dieses Unternehmens verkörpern.

Neben den klassischen Familienunternehmen gibt es heute in Deutschland bereits viele Firmengründer*innen, die sich anderen Zielen als reinen Gewinnen verschrieben haben. Dazu zählten sich am Mittwoch unter anderem Michael Kroll, Gründer der Suchmaschine „Ecosia“, der mit den Gewinnen „die Erde aufforsten will", also Bäume pflanzen will. Oder Fabian Ecker, der mit „Recup“ ein Kaffeebecher-Pfandsystem etablieren und so Müll vermeiden will. Auch Waldemar Zeiler hat mit „Einhorn“ nachhaltig produzierte Kondome entwickelt und verfolgt mit seinem Unternehmen nachhaltige Ziele. Die Gründer*innen dieser Unternehmen traten bei der Robert-Bosch-Stiftung in altertümlicher Kleidung auf, um zu verdeutlichen, dass das über hundert Jahre alte Gesellschaftsrecht nicht mehr zu ihren Wirtschaftsvorstellungen passt. Unterstützt wird der Gesetzesentwurf auch von Ökonomen wie Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaft und zahlreichen weiteren Familienunternehmen.

Die Idee extistiert bereits - eigentlich

Die Anteilseigner*innen einer GmbH im Verantwortungseigentum wären nicht an den Gewinnen des Unternehmens beteiligt, sondern dem Zweck und der Verantwortung des Unternehmens verpflichtet. „Diese Idee existiert bereits“, erklärte Steuernagel mit Verweis auf die zahlreichen Stiftungen, die auch von großen Unternehmen wie Bosch ins Leben gerufen wurden. Stiftungen haben einen festgelegten Zweck, dem sich alle Investitionen und Entscheidungen unterordnen – und im Falle der Firma Bosch hält die Stiftung den Großteil des Stammkapitals am Unternehmen und sichert somit langfristig die Ziele des Firmengründers.

Das Stiftungskonzept ist aber eine Krücke, erklärte Steuernagel weiter: Zum einen handle es sich um komplizierte Strukturen, die auch teuer seien. Zum anderen: „Stiftungen können nicht pleite gehen“, so Steuernagel. Ebenso sei der Stiftungszweck, einmal festgesetzt, nicht mehr veränderbar. Beides Faktoren, die für eine Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft aber zentral seien, meint der Unternehmer. So wie sich die Welt verändere, müssten eventuell auch Unternehmensziele angepasst werden können – aber eben nicht allein mit Blick auf die Gewinnerwartung.

Fürsprecher*innen fand die Idee am Mittwoch bei SPD, FDP, Grünen und der Union. „Es muss schluss sein mit höher, schneller, weiter“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bei der Vorstellung des Entwurfs. Er lobte auch den Appell an die Verantwortung von Unternehmen für Deutschland, die Gesellschaft insgesamt und auch die Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft. Gewinne und Werte passen für Klingbeil zusammen. „Ich unterstütze das ausdrücklich“, sagte er auch mit Verweis auf eine vergangene Diskussion im Willy-Brandt-Haus zu neuen Wirtschaftsformen in Deutschland. Im Mai hatte er bereits unter anderem mit Kevin Kühnert und Unternehmerverbänden darüber diskutiert, wie nach Corona neue Formen der Wirtschaft möglich sind.

Fürsprecher Klingbeil mit Diskussionsbedarf

Dass der Entwurf zu der neuen, verantwortungsvollen GmbH für ihn aber auch noch nicht fehlerfrei ist, ließ er bereits durchblicken: „Es gibt Punkte, über die müsen wir noch reden“, so Klingbeil, mit Verweis auf Fragen der Mitbestimmung, Nachhaltigkeit und Steuerfragen. Das seien natürlich Punkte, die der SPD besonders wichtig seien. Er gibt sich aber optimistisch und verspricht Unterstützung: „Die Kritik kann man ausräumen – und dann können wir auf einen guten Weg kommen.“

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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