Urteil aus Karlsruhe: Seehofer unterliegt der AfD
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Die AfD hat mit einer Klage gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Erfolg beim Bundesverfassungsgericht: Seehofer habe seine Neutralitätspflicht verletzt, als er ein AfD-kritisches Interview auf die Homepage seines Ministeriums stellen ließ, so das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.
Seehofer: AfD agiert staatszersetzend
Seehofer hatte sich im September 2018 in einem Interview klar zur AfD geäußert: „Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend.“ Die AfD hatte zuvor Steinmeiers Haushaltsmittel in Frage gestellt, weil er für ein Antifa-Konzert in Chemnitz geworben hatte. Die Pressestelle des Bundesinnenministeriums stellte das Seehofer-Interview anschließend auf die Homepage des Ministeriums.
Dagegen erhob die AfD Organklage. Horst Seehofer habe ihr Recht auf Chancengleichheit verletzt. Das Ministerium nahm gleich nach der Klage das Interview wieder von der Webseite, wollte das aber nicht als Schuldeingeständnis gewertet sehen. Deshalb gab es im Februar diesen Jahres eine mündliche Verhandlung, bei der sich der Erfolg der AfD bereits abzeichnete.
Karlsruhe: Auf Ministeriums-Homepage sachlich bleiben
Tatsächlich stellte das Bundesverfassungsgericht nun fest, dass Seehofer das Recht der AfD auf „Chancengleichheit im politischen Wettbewerb“ verletzt habe. Indem Seehofers AfD-Kritik auf der Webseite des Ministeriums veröffentlicht wurde, habe Seehofer staatliche Ressourcen für den „politischen Meinungskampf“ benutzt und damit die staaatliche Neutralitätspflicht verletzt. Die Einschätzung der AfD als „staatszersetzend“ wurde von den Richtern aber nicht beanstandet.
Das Gericht hält damit an seiner seit 2014 vertretenen Linie fest. Danach können sich Minister im Meinungskampf genauso deutlich äußern wie Oppositionspolitiker. Sie dürfen dabei nur nicht die Ressourcen des Amtes einsetzen, insbesondere die Webseite des Ministeriums. Regierungsmitglieder dürfen auf ihrer Ministeriums-Homepage zwar über die Politik ihres Hauses informieren und sich gegen Vorwürfe verteidigen. Dabei müssen sie aber immer sachlich bleiben.
PR für Personen nicht Aufgabe des Ministerium
In der aktuellen Entscheidung wurden nun nur einige Randfragen neu entschieden. So ist es noch keine Nutzung von amtlichen Ressourcen, wenn Seehofer in einem Interview als „Bundesminister des Inneren“ vorgestellt wird. Er darf diesen Titel auch bei parteipolitischen Aktivitäten tragen. Ein Minister darf auch gemischte Interviews geben, in denen er sowohl über die Arbeit des Ministeriums spricht als auch parteipolitische Einschätzungen abgibt.
Es sei aber keine Aufgabe eines Ministeriums, den Minister „als Person“ zu präsentieren, so die Richter. Es gebe deshalb keinen Grund, alle politischen Interviews des Ministers auf der Ministeriums-Webseite zu präsentieren.
AfD freut sich nach Urteil
Offen ließen die Richter, ob es eine dienstliche Aufgabe von Ministern sei, den Bundespräsidenten gegen politische Angriffe zu verteidigen und allgemein die Beachtung demokratischer Grundregeln einzufordern. Seehofer sei in seinem Interview jedenfalls darüber hinausgegangen und habe sich ganz allgemein abwertend über die AfD geäußert.
Nach dem Urteil sprach AfD-Parteichef Jörg Meuthen in Karlsruhe von einem „guten Tag für die Demokratie“, während die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel aus der Ferne gleich den Rücktritt Seehofers forderte.
Staatssekretär: Minister darf sich scharf äußern
Für die Bundesregierung begrüßte Innen-Staatsekretär Günter Krings (CDU) das Urteil. Das Gericht habe klargestellt, dass sich auch ein Minister in der öffentlichen Debatte scharf äußern darf und „nicht nur mit angezogener Handbremse“.