Urheberrecht: Etwas Milde, etwas Strenge, etwas Innovation
Früher war das Urheberrecht ein Randthema für Spezialisten, heute ist es eines der wichtigsten politischen Kampffelder. Es ist kein Zufall, dass mit den Piraten zeitweise eine Partei für Furore sorgte, die den freien Zugang zu Musik und Filmen im Internet zu einer Hauptforderung erhoben hat. Einseitige urheberrechtliche Revolutionen sind von der großen Koalition natürlich nicht zu erwarten. Union und SPD versuchen vielmehr die Interessen von Urhebern, Nutzern und Content-Industrie (Verlage, Musik- und Filmunternehmen) auszubalancieren. Punktuell sind aber interessante Weiterentwicklungen zu erwarten.
Milde gegenüber Internet-Nutzern
Gegenüber den Internet-Nutzern, die (gelegentlich) Urheberrechtsverletzungen begehen, wird Milde signalisiert. "Alle Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums müssen verhältnismäßig sein", heißt es im Koalitionsvertrag. Konkret sollen auch die Abmahnregeln überprüft werden. Das ist bemerkenswert, da erst im Oktober neue Regeln in Kraft traten, die die Höhe der Abmahnkosten bei Urheberrechtsverletzungen auf rund 155 Euro deckeln sollten. Erste Erfahrungen zeigen jedoch, dass die Abmahnanwälte die Deckelung umgehen, indem sie zum Beispiel jeden Titel eines Musikalbums einzeln abmahnen.
Streng vorgehen will die Koalition aber gegen "Plattformen, deren Geschäftsmodell im Wesentlichen auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaut". Gemeint sind wohl so genannte Filehoster wie Rapidshare, auf denen viele urheberrechtlich geschützte Dateien (zum Beispiel Filme und Serien) zum kostenlosen Download lagern. Hier hat erst jüngst der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass solche Filehoster regelmäßig die auf sie verweisenden Linksammlungen kontrollieren müssen. Die Koalition will aber wohl noch darüber hinausgehen und auch Werbung auf solchen Plattformen verhindern, damit es keinen Anreiz mehr für solche Geschäftsmodelle gibt.
Digitale Lehrmittelfreiheit gefordert
Unerschrocken plant die Koalition auch den "Ausbau verbindlicher europäischer und internationaler Vereinbarungen" zum Schutz des Urheberrechts. Anfang 2012 gab es zwar eine erfolgreiche Basisbewegung gegen das ACTA-Abkommen, das den Stand des Urheberrechts zementiert und jede Liberalisierung verhindert hätte. Inzwischen wird international aber über neue Verträge verhandelt, so geht es etwa auch bei der geplanten transatlantischen Freihandelszone von EU und USA um den "Schutz des geistigen Eigentums".
Versprochen wird im Koalitionsvertrag ein "bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht", insbesondere in Form einer "digitalen Lehrmittelfreiheit". Elektronisch abrufbare Lehrbücher und Lernmaterialien sollen für Schüler und Studenten kostenlos sein. Eine "Wissenschaftsschranke" im Urheberrechtsgesetz soll die Nutzung von Büchern auch gegen den Willen der Verlage ermöglichen. Eigentlich gibt es eine derartige Ausnahme bereits, doch bisher kann eine Uni nur "kleine Teile" eines Werks den Teilnehmenr eines Seminars zum Download anbieten. Der BGH entschied jüngst, dass damit maximal 12 Prozent eines Buches gemeint sind. Hier könnte der Gesetzgeber durchaus großzügiger sein.
Geprüft werden soll auch, ob "Bibliotheken gesetzlich das Recht eingeräumt werden sollte, elektronische Bücher zu lizensieren". Gemeint ist damit wohl, dass Bibliotheken ihren Nutzern alle verfügbaren E-Books zum Lesen anbieten dürfen. Bisher ist dafür jeweils die Zustimmung des Verlags erforderlich.
Das Urhebervertragsrecht, das das Verhältnis von Urhebern und Verlagen regelt, bedürfe einer Überarbeitung, heißt es im Koalitionsvertrag, "um die Position des Urhebers zu verbessern". Autoren und andere Kreative können schon seit 2002 bei unfairen Verträgen nachträglich eine angemessene Vergütung einklagen, was das Bundesverfassungsgericht erst letzte Woche bestätigt hat. Die Koalition will nun prüfen, wie Verlage und Urheber effizienter so genannte Vergütungsregeln aushandeln können, die die angemessenen Honorare für ganze Branchen im Voraus festlegen. Helfen würde zum Beispiel eine verbindliche Schlichtung.