Inland

Unterwegs mit Katja Mast: Wo Frauen den Ton angeben

Katja Mast, Erste Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, hat mit einem Ritual gebrochen. Ihre Sommerreise ist klimafreundlicher und weiblicher.
von Karin Nink · 29. Juni 2023
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Sommerreisen von Spitzenpolitiker*innen gehören zu den traditionellen Gepflogenheiten des politischen Berlins. Es ist eigentlich immer das gleiche Ritual: Eine Gruppe Journalist*innen begleiten den oder die Politiker*in bei einer Themenreise zu diversen Unternehmen oder Organisationen jenseits der Hauptstadt. Üblicherweise sorgt ein Reisebus dafür, dass der Tross von A nach B und C gefahren wird. Anders bei Katja Mast.

Die erste Frau in einer männerdominierten Organisation

Die Erste Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion radelt mit den Berliner Journalist*innen quer durch Frankfurt am Main. Mit dem Drahtesel geht es zu Einrichtungen, in denen Frauen den Ton angeben: Etwa zur Macht ausstrahlenden IG Metall-Zentrale in der Wilhelm-Leuschner-Straße. Dort trifft Mast mit ihrer Reisegruppe die designierte Vorsitzende der Industriegewerkschaft, Christiane Benner. Derzeit ist Benner Vize-Vorsitzende der mehr als 2,1 Millionen Mitglieder, im Oktober soll sie zur ersten Vorsitzenden der größten deutschen Einzelgewerkschaft gewählt werden – eine kleine Sensation für die männerdominierte Organisation.

Die bevorstehende Transformation von Wirtschaft und Industrie, die Katja Mast lieber „Strukturwandel“ nennt, ist das wesentliche Thema des Gesprächs. Mast und Benner sind sich einig, dass dieser Strukturwandel „mit den Beschäftigten gestaltet werden“ müsse. Laut Benner hat eine Umfrage unter Betriebsrät*innen ergeben, dass viele Unternehmen noch keine hinreichende Strategie für die bevorstehenden Veränderungen haben.

An den USA orientieren

„Letztlich gilt es, gute Arbeitsplätze zu schaffen, unterstreicht Mast das Ziel der Transformation. Wichtig seien dafür „neue Instrumente der Qualifizierung“. Benner macht keinen Hehl daraus, dass die Transformation sie umtreibt. Wichtig sei, dass Deutschland Wettbewerbsvorteile für den globale Markt entwickele. Dafür müsse die Regierung zielgerichtet investieren und intelligente Ansätze für Investitionen entwickeln. „Sich ein Stück am IRA orientieren“, sagt Benner.  

Mit IRA meint sie den „Inflation Reducation Act“ der USA, wonach gezielt US-Firmen für nachhaltige Energienutzung gefördert werden. So soll der Klimaschutz gestärkt, aber auch US-amerikanische Firmen protegiert werden. In Europa wird befürchtet, dass dadurch Unternehmen zukunftsorientierte Investitionen von Europa in die USA verlagern. Beim Thema Transformation bleibt also noch viel zu tun – für Gewerkschaft und Politik.

Klartext von Handwerker*innen

In Frankfurt geht es weiter zur Handwerkskammer Frankfurt Rhein-Main. Die liegt im gediegenen und wohlhabenden „Westend“ der Stadt. Der Kammer steht Susanne Haus als erste Frau in der 120-jährigen Geschichte vor. Die selbstbewusste Maler- und Lackierermeisterin weiß, wo ihren Mitgliedern der Schuh drückt, hat aber auch Handwerker*innen dazu geladen, damit diese der SPD-Politikerin direkt sagen können, was Sache ist. In der Handwerkskammer wird Klartext gesprochen. Mast schätzt das und geht in die Offensive. 

Schnell spricht sie vom „Elefant im Raum“, der zu Beginn der Woche noch das Heizungsenergiegesetz war. Denn zumindest die anwesenden Handwerker*innen ahnten nicht, dass in der darauffolgenden Nacht der Knoten durchschlagen würde. „Das GEG hat bisher nichts gebracht, außer Verunsicherung“, schimpft denn auch der Heizungsinstallateur Dennis Kern. Die Bundestagsabgeordneten sollten mal einen Tag lang mit ihm durch die Heizungskeller der Kunden tingeln.

Auch Handwerkschefin Haus warnt: „Die Stimmung kippt im Moment ein bisschen“, denn es sei eine große Verunsicherung bei den Leuten zu spüren. „Es braucht ein Gesetz, was Klarheit schafft und für den Bürger verträglich ist“, fasst Kern die Kritik zusammen. Katja Mast bleibt im Handwerkjargon und macht klar, dass das GEG gerade einer „Kernsanierung“ unterzogen werde und verspricht, dass das Gesetz in der nächsten Sitzungswoche verabschiedet werde. Sie kann Wort halten.

Nachwuchssorgen

Doch auch andere Sorgen treiben die Handwerksmeister*innen um. Die Zweiradmechanikerin Christine Maurer klagt: „Es will sich niemand mehr die Hände schmutzig machen“. Mit dieser Sorge ist sie nicht allein. Alle anwesenden Handwerksmeister*innen kritisieren, dass sie kaum noch Nachwuchskräfte fänden, weil alle studieren wollten und jene, die sich bewerben würden, seien häufig nicht geeignet. Friseurmeisterin Sonja Süßmann etwa betont, dass man die deutsche Sprache beherrschen müsse, wenn man Friseur*in werden wolle. „Man muss sich doch mit den Kunden unterhalten können!“

Die engagierte Frau fragt sich: „Wo sollen die jungen Leute herkommen, um das Handwerk von der Pike auf zu lernen?“ Denn auch bei Berufsinformationsveranstaltungen in Schulen würde das Handwerk häufig nicht geladen. „Der Weg ins Handwerk müsse erleichtert werden“, fordern alle. Katja Mast verweist auf das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz und ermunterte die Handwerker*innen mit ihr oder ihren jeweiligen SPD-Bundestagsabgeordneten Kontakt aufzunehmen, wenn sie Defizite erkennen würden. Mast dankt für die Offenheit: „Ich bin richtig froh, Sie alle kennengelernt zu haben.“

Gesetzlich gegen Belästigungen vorgehen

Ruhiger, aber nicht weniger emotional geht es bei der letzten Station der Fahrradtour zu: Bei Pro Familia Hessen nahe dem Palmengarten. Frauen, die Beratung suchen, und die Mitarbeiterinnen leiden dort unter Gehsteigbelästigung von Abtreibungsgegner*innen. Sie fühlen sich dadurch bedroht und bedrängt und fordern eine bundeseinheitliche Gesetzes-Regelung, dass dieser Protest außerhalb der Sichtweite von Betroffenen stattfinden müsse.

Bisher gibt es keine rechtliche Handhabe gegen diese Art von „Mahnwachen“. Mast ist überzeugt, dass es den Abtreibungsgegnern gezielt darum geht, hilfesuchende Frauen und die Beratungsmitarbeiterinnen unter Druck zu setzen. Sie stellt eine entsprechende gesetzliche Regelung im Rahmen des Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetzes noch in diesem Jahr in Aussicht. Der Gesetzgeber schreibe die Beratung vor und sei deshalb auch in der Pflicht, dass Frauen ungehindert und anonym diese auch wahrnehmen könnten, betont Mast.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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