Unter uns: Wie islamistischer Terror in unserer Mitte entsteht
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Der Verfassungsschutz bezeichnet sie als die vier „M“: männlich, muslimisch, Migrationshintergrund, Misserfolg. Die Rede ist von hauptsächlich jungen Männern, geboren und aufgewachsen in Deutschland, die sich von der Salafistenszene radikalisieren lassen. Es geht um gut 700 junge Menschen von bundesweit 82 Millionen Einwohnern, die bisher ausgereist sind, um in Syrien und dem Irak für den IS zu kämpfen. Weitere träumen davon, eines Tages das Gleiche zu tun und wieder weitere sympathisieren mit dem IS.
Flüchtlinge sind Opfer des IS und keine Anhänger
Mit Sicherheit zeigt uns das, wie wichtig ein Handeln hier ist. Mit Sicherheit muss man aber auch sagen, dass diese Zahl (weniger als 0,0008 Prozent der Gesamtbevölkerung) einer weitaus höheren Zahl von Muslimen (fünf Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind Muslime) gegenübersteht, die weder radikal sind, noch dieser Radikalisierung zustimmen. Wir sprechen von einem kleinen Prozentsatz aller Muslime.
Auch muss erwähnt werden, dass man die Flüchtlinge, die in der letzten Zeit nach Deutschland gekommen sind und noch kommen werden, auf gar keinen Fall mit dem IS in einen Topf werfen darf! Diese Flüchtlinge sind vor dem IS, vor dem was die Salafisten propagieren und vor den jungen Menschen geflohen, die jetzt aus Deutschland und Europa für den IS in den Kampf ziehen! Daher ist es sehr wichtig, dass gehandelt wird und wir die Herausforderung annehmen.
Radikalisierung ist ein schleichender Prozess
Man muss sich als erstes fragen: Warum radikalisieren sich junge Menschen, warum hat die radikale Salafistenszene so einen Erfolg bei ihnen? Der Prozess der Radikalisierung verläuft langsam, er passiert nicht einfach von jetzt auf gleich. Häufig geht er mit einer Entfremdung einher, mit einer Veränderung des psychischen Zustands. Jugendliche, die wenig soziale Kontakte und ein schwaches, soziales Umfeld haben, unglücklich oder unzufrieden mit ihrem Leben sind, sind für eine Radikalisierung sehr anfällig. Oftmals fehlt ihnen eine Perspektive oder der richtige Weg.
Der Salafismus kommt aus mehreren Gründen bei diesen Jugendlichen sehr gut an. Besonders bei Jugendlichen, denen die Vaterfigur fehlt. Der Salafismus bietet ihnen eine Identität an, ein strukturiertes Umfeld und eine Orientierung. Sie gehören wieder dazu, finden Freunde und eine Gemeinschaft und eine Autorität, die sie leitet. Hinzu kommt, dass die Propaganda für den Salafismus durchaus clever angelegt ist. Durch die sozialen Netzwerke und Videokanäle haben Salafisten direkten Zugang zu den Jugendlichen, können sie einfach erreichen und direkt ansprechen.
Forderung nach mehr Polizei reicht nicht aus
Außerhalb des Internets sind es die islamischen Prediger, die sich sehr viel Zeit für die Jugendlichen nehmen und ihnen das Gefühl geben, ihre Probleme ernst zu nehmen. Auch werden hier Gespräche über den Krieg in Syrien und die generelle Lage im Nahen Osten geführt. Ernste Themen, die normalerweise nur unter Männern besprochen werden.
Die nächste Frage ist nun: Was können wir als Gesellschaft tun? Fakt ist, dass man diese Aufgabe nicht nur auf die Polizei abwälzen kann, in dem man verlangt, die Sicherheit zu erhöhen. Es muss viel früher angesetzt werden. Wie bereits gesagt, verläuft die Radikalisierung langsam und gerade Menschen aus dem direkten Umfeld haben die Möglichkeit, frühzeitig einzugreifen.
Moscheen müssen demokratische Werte ebenfalls vermitteln
Eltern dürfen sich nicht nur auf die Lehrer verlassen, Lehrer dürfen sich nicht nur auf die Eltern verlassen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche und langfristige Aufgabe, die sowohl von Eltern, Lehrern, Sozialarbeitern, Politik und Polizei angegangen werden muss. Sie alle müssen vernetzt und sensibilisiert werden, um frühzeitig zu erkennen, wenn ihr Kind, ihr Schüler, ihr Freund sich verändert. In Schulen sollte mehr über demokratische Werte diskutiert werden, die Weltanschauung und Werte unserer Gesellschaft sollten vermittelt werden. Dies ist eine Lücke, die die Salafisten bereits erkannt haben und sie erfolgreich ausnutzen.
Die Vernetzung muss auch die muslimische Gemeinschaft mit einschließen, um sie aktiv an der Lösung zu beteiligen. Die Moscheen müssen die demokratischen Werte ebenfalls vermitteln und schützen.
ist Mitglied im Landesvorstand der AG Migration und Vielfalt der SPD Nordrhein-Westfalen.