Union und Merkel blockieren Modernisierung der Gesellschaft
Florian Gaertner/photothek.net
Wem noch einen Beleg dafür fehlte, dass die Union und Bundeskanzlerin Merkel nicht an einer gerechten Modernisierung der Gesellschaft interessiert sind, der hat ihn jetzt: Das Rückkehrrecht auf Vollzeit ist – ausgerechnet – am Kanzleramt gescheitert.
Klientelpolitik zulasten von Frauen
Nachrangig ist dabei, dass das Rückkehrrecht im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist und die Kanzlerin mit dieser Absage den Vertrag bricht. Auch wenn Zuverlässigkeit etwas anderes ist. Viel entscheidender ist: Die Union und die Kanzlerin blockieren die von der SPD vorangetriebene Modernisierung der Gesellschaft. Sie betreiben lieber Klientelpolitik und buckeln vor den Arbeitgebern – vor allem zulasten von Frauen, aber auch zulasten der Sozialkassen und der jüngeren Generation.
Die Folgen sind klar: Weiterhin werden vor allem die in unserer Gesellschaft von Altersarmut bedroht sein, die sich unbezahlt um ihre Kinder oder alten und bedürftigen Angehörigen kümmern. Das sind vor allem Frauen. Der Staat spart so verdammt viel Geld. Die Arbeitgeber müssen nicht umdenken.
Haltung des Kanzleramtes entbehrt dabei jeder Logik
Dieses Verhalten stabilisiert aber nicht unsere alternde Gesellschaft, und es sorgt auch nicht für mehr Gerechtigkeit. Und wenn der eine oder andere in der Union nun davon faselt, dass man die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter auf dem Schirm habe, ist das schlicht verlogen. Denn wer sie gewollt hätte, hätte jetzt springen können. Dann hätten viele Frauen zügig anfangen können, mehr für ihre Altersvorsorge zu tun.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat sich flexibel gezeigt und nach Vorlage des Entwurfes im vergangenen November intensiv verhandelt, um das Gesetz noch zu realisieren. So wie das Kanzleramt aber das Gesetz hätte haben wollen, wäre dessen Wirkung verpufft. Denn wenn es nur für Betriebe mit mehr als 200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gelten würde, hätten mehr als drei Millionen Teilzeitbeschäftigte – wie gesagt vor allem Frauen – das Nachsehen. Profitiert hätte weniger als die Hälfte der möglichen Nutznießerinnen. Die Mehrheit aber wäre auch weiterhin auf das Wohlwollen des Arbeitgebers angewiesen, solange es das Gesetz nicht für Unternehmen ab 15 Mitarbeitern gibt. Die Haltung des Kanzleramtes entbehrt dabei jeder Logik: Da eine Rückkehr in die Vollzeit etwa genauso planbar ist wie etwa die Rückkehr aus der Elternzeit, kann die Umsetzung auch für kleine Unternehmen keine unüberwindbare Hürde sein.
Merkel bedient jene, die vom Status Quo profitieren
Das Kanzleramt und die Union verweigern sich aus wahlkampftaktischen und aus ideologischen Gründen. In diesem Zusammenhang sei nur dezent darauf hingewiesen, dass Kanzleramtschef Peter Altmaier nicht nur die Regierungszentrale leitet und die Zusammenarbeit der Ressorts organisiert, sondern auch das CDU-Wahlprogramm schreibt und somit massiv in den Bundestagswahlkampf gegen Martin Schulz eingebunden ist.
Gleichzeitig bedienen die Union und Kanzlerin Merkel mit der Absage an das Rückkehrrecht auf Vollzeit genau jene konservative Klientel, die eine gerechtere und modernere Gesellschaft gar nicht anstrebt, weil sie von Pfründen lassen müsste.
Steuergeschenke bereits angekündigt
Folglich gilt für diese Kreise: Sollen die Frauen doch weiter Kind und Oma betreuen und sehen, wie sie im Alter klarkommen. Hauptsache es gibt noch ein paar Steuergeschenke mehr. Die werden von Teilen der Union ja schon in Aussicht gestellt.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.