Ungleichheit bekämpfen – Rettet die soziale Marktwirtschaft
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Der Titel der Preisverleihung spielt der designierten SPD-Chefin Andrea Nahles in die Karten: „Die ungleiche Welt – Migration, das Eine Prozent und die Zukunft der Mittelschicht“. Für sein gleichnamiges Buch wurde der serbisch-amerikanische Ökonom Branko Milanović am Montag mit dem Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet, den die Friedrich-Ebert-Stiftung verlieh.
Milanović spricht in seinem Buch von zwei Ungleichheiten der Wohlstandsverteilung, die erst zusammengenommen das gesamte Ausmaß der Schere zwischen Arm und Reich in der Welt ergeben: Es gebe einerseits die Ungleichheit innerhalb eines Staates, andererseits die Ungleichheit zwischen Staaten, die wirtschaftlich verschieden stark sind. Es sind besonders die nationalstaatlichen Auswirkungen der zwischenstaatlichen Ungleichheiten, die die ehemalige Bundesarbeitsministerin in den Fokus rückt. Die soziale Marktwirtschaft, wie sie in Deutschland bestehe, sieht sie „vom chinesischen Staatskapitalismus und den libertären Silicon-Valley-Monopolisten“ bedroht.
Trumps Ideen: „Instrumente von gestern“
Dabei sei besonders die soziale Marktwirtschaft ein Modell, das versuche, die Ungleichheiten auszubalancieren. Diesen Ausgleich sieht sie durch die Wirtschaftspolitik Chinas und der USA in Gefahr. Zum Beispiel durch Unternehmen wie Google, Amazon oder Facebook, die in Deutschland keine Steuern zahlen. Oder durch die von Donald Trump verhängten Straf- und Schutzzölle, die Nahles als „Instrumente von gestern“ kritisiert. Ein handlungsfähiger Staat sei „eben heute nicht mehr auf den Nationalstaat zu beschränken“.
Für Nahles ist klar, dass sowohl auf nationaler, als auch auf europäischer Ebene gehandelt werden müsse. Ohne ein funktionierendes Europa, so Nahles, „ist jedes Land, auch Deutschland, zu klein und zu wenig mächtig, um die Interessen und die Verteidigung der Grundidee der sozialen Marktwirtschaft aufrecht zu erhalten“.
Versäumtes aufholen
Drei Baustellen seien es, die es in diesem Zusammenhang anzugehen gelte: Zunächst sei eine nachhaltige und inklusive Wirtschaftspolitik von Nöten. Außerdem müsse Politik für gute Arbeit gemacht werden. Für Nahles heißt das: Nicht nur die Arbeitnehmerinteressen des Produktionssektors müssen wahrgenommen und vertreten werden, sondern insbesondere die der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im weitaus größeren Dienstleistungssektor. Zudem fehle es an einem umfassenden Konzept sozialer und innerer Sicherheit.
Nahles nannte weitere wichtige Aufgaben, die „mit verstärktem Druck“ angegangen werden müssten: Zunächst sei die Einbeziehung von Menschen, die sich abgehängt fühlen, unabdingbar. Darüber hinaus müsse ein Versäumnis aufgeholt werden: In den letzten Jahren habe die Kraft gefehlt, dem Neoliberalismus ein alternatives Konzept entgegenzusetzen. Genau das und nicht weniger „sollten wir uns vornehmen, weil etwas geringeres wird nicht reichen, um die Ungleichheit auf der Welt zu verkleinern“.