Experten, wie Johannes Book, zweifeln, ob der Umzug für Nokia nach Rumänien betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Mit Standortverlagerungen nach Osteuropa hätten bereits viele internationale
Unternehmen schlechte Erfahrungen gemacht, schreibt der Unternehmensberater im Manager-Magazin.
Höherer Krankenstand, geringere Qualifikation
In der Regel seien die benötigten Arbeitskräfte vor Ort nicht zu den günstigeren Lohnkosten verfügbar. Die Firmen müssten als Folge unqualifizierte Arbeitskräfte einstellen und zunächst
ausbilden. Mit der gewonnenen Qualifikation sei es für die Arbeitnehmer wiederum leicht, besser bezahlte Arbeit zu bekommen. Doch die fehlende Qualifikation sei nicht der einzige Grund, weshalb
rumänische Mitarbeiter nicht die Produktivität deutscher Facharbeiter erreichen. Book: "Hier herrschen andere Standortbedingungen als in Bochum. " In Rumänien steige der Krankenstand in der
Erntezeit auf 20 Prozent, weil die Familien im Nebenerwerb noch eine kleine Landwirtschaft betreiben.
Mehr Kosten als erwartet
Book sieht jedoch noch andere zusätzlich Ausgaben auf Investoren im Rumänien zukommen: Eine schlechte Infrastruktur erhöhe die Transport- sowie die Zuliefererkosten, die Immobiliensteuer
hebe die geringere Gewerbesteuer wieder auf und eine vorherrschende Behördenwillkür halte so manche Überraschung bereit.
Imageverlust laut Stern-Umfrage
Soweit der Unternehmensberater Book. Im Fall Nokia kommt aktuell noch der Imageverlust hinzu: In einer repräsentativen Forsa-Umfrage für das Hamburger Magazins "Stern" gaben rund 68 Prozent
der Befragten an, das Ansehen der finnischen Mobilfunkmarke habe durch den Schließungsbeschluss gelitten. 56 Prozent der Befragten wollen künftig keine Nokia-Handys mehr kaufen. Nur 31 Prozent
der Deutschen waren der Ansicht, die geplante Schließung des Betriebes werde sich nicht negativ auf die Marke Nokia auswirken. Für die Umfrage wurden rund 1000 repräsentativ ausgewählte
Bundesbürger befragt.
Was bringt Nokia die Verlagerung nach Rumänien?
Book: "In Konzernstrukturen entscheiden Manager eben nicht nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Oft spielen interne politische und persönliche Motive eine wichtige Rolle. Die
Veränderung von Strukturen hat schon manchen Manager nach oben befördert." Und: Sollte, wie im Fall der Firma Continental die Nachkalkulation nicht erfolgreich sein, könnte dies dazu führen,
"dass das verantwortliche Management komplett ausgetauscht" wird.
Standortverlagerungen nehmen nicht zu
Das könnte ein Grund sein, weshalb Standortverlagerungen zwar zum betrieblichen Alltag gehören, in den letzten Jahren aber nicht zugenommen haben. Während ein Fünftel der angedrohten
Verlagerungen nicht umgesetzt wird, verlagern mehr als zwei Drittel der Betriebe innerhalb Deutschlands. So das Ergebnis einer neuen Betriebsrätebefragung des Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Danach sind spätere Rückverlagerungen aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht selten.
Rückverlagerungen nicht ausgeschlossen
In 16,4 Prozent der vom WSI befragten Betriebe haben Diskussionen um Standortverlagerungen eine Rolle gespielt. In etwa der Hälfte dieser Betriebe wurde seit Anfang 2005 verlagert - zu 69
Prozent innerhalb Deutschlands, 20 Prozent gingen ins Ausland. In einem Fünftel der Betriebe, in denen das Thema auf der Tagesordnung stand, wurde eine angedrohte Standortverlagerung später
zurück genommen. Durch Zugeständnisse der Belegschaft, durch Druck der Öffentlichkeit und durch die massive Intervention von Gewerkschaft und Politik konnten häufig Standorte gerettet werden.
Durchgeführte Standortverlagerungen erweisen sich nicht immer als betriebswirtschaftlich sinnvoll. So kam es laut Betriebsrätebefragung in immerhin 13 Prozent der Fälle später zu
Rückverlagerungen.
Quelle: manager-magazin.de; igmetall.de; Stern; boeckler.de
Nokia-Protest: Unternehmen in die Pflicht nehmen
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.