Inland

Umweltministerin zu Besuch im Braunkohlerevier Lausitz

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat am Dienstag das Kohlekraftwerk Schwarze Pumpe besucht. Empfangen wurde sie von Demonstranten, die um ihre Arbeit fürchten, denn die Lausitz ist vom Strukturwandel besonders betroffen. Ein Ortstermin zwischen Angst und Hoffnung.
von Benedikt Dittrich · 10. Juli 2019

Die großen Kühltürme der Schwarzen Pumpe ragen schon am Horizont in die Höhe, da ist Svenja Schulze noch einige hundert Meter entfernt. Die Bundesumweltministerin ist zu Besuch in einem der größten Kohlekraftwerke, mitten in der Lausitz, an der Grenze zwischen Sachsen und Brandenburg.

Eine Region, die bereits mitten im Strukturwandel steckt. Ein Strukturwandel, der den Menschen Angst macht. Eine Angst, die auch Svenja Schulze am Dienstag zu spüren bekommt: "Wir leben hier alle von der Kohle", ruft ihr schon auf dem Parkplatz ein Demonstrant entgegen, "der Ausstieg ist völlig übertrieben!" Bis zum Werkstor haben sich die Mitarbeiter im Spalier aufgestellt, drehen ihr den Rücken zu, als sie sich zusammen mit Geschäftsführer Dr. Helmar Rendez auf den Weg macht. „Klimaschutz ja – aber nicht auf unserem Rücken!“ haben die Angestellten auf ihre Rücken geklebt.

Ostdeutsches Kohlerevier im Umbruch

Die Lausitz gehört zu den Regionen in Deutschland, die mit am schwersten von dem getroffen wird, was die Kohlekommission Anfang des Jahres beschlossen hat: Der Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Kohle zum Jahr 2038. Zwar sind rings um den Gewerbepark Schwarze Pumpe viele Windräder zu sehen, doch noch hängen viele tausende, gut bezahlte Jobs im Revier direkt oder indirekt an der Kohle. „Wir können grün, könnt ihr auch sozial?“, fragen die Demonstranten auf Plakaten die Umweltministerin.

Betrieben wird die Schwarze Pumpe von der Lausitzer Energie Kraftwerke AG (Leag). Deren Gesamtbetriebsratsvorsitzender Uwe Teubner erklärt Schulze vor dem Werkstor per Megaphon: „Die Energiewirtschaft braucht keine CO2-Steuer!“ Er fordert von der Ministerin Planungssicherheit und eine Perspektive für die Mitarbeiter, die Beschlüsse der Kohlekommission soll sich schnellstmöglich in Gesetzen wiederfinden. „Wir sind uns einig“, spricht er Schulze direkt an, „Ich hoffe, das sind wir immer noch.“ Die Ministerin müsse jetzt für Klarheit sorgen.

Die greift kurzerhand selbst zum Megaphon und verspricht der Belegschaft: „Es soll hier auch in Zukunft gute Arbeitsplätze geben.“ Die Beschlüsse der Kommission wolle man schnellstmöglich umsetzen, sie bittet aber trotzdem um Geduld. Dafür bekommt die Sozialdemokratin immerhin ein bisschen Applaus von den Menschen, die ihr zuvor noch den Rücken zugedreht hatten.

Kohleausstieg auch als Chance verstehen

Später ergänzt sie diese Aussage noch: Der Ausstieg aus der Kohleverstromung sei auch ein Einstieg in neue Technologien, verbreitet sie unterhalb der Kühltürme des Kohlekraftwerks Hoffnung. Jörg Steinbach, Wirtschaftsminister in Brandenburg, schlägt in dieselbe Kerbe, als er die Lausitzer dazu ermutigt, das Glas nicht als halb leer, sondern als halb voll zu sehen. „Wir nehmen diese Herausforderung in Brandenburg an“, betont der Sozialdemokrat.

Eine Herausforderung, bei der Steinbach auch die Belegschaft der Leag hinter sich hat: Man wolle die Zukunft nicht anderen überlassen, hatte Teubner schon zuvor erklärt. Auch der Betriebsrat setze sich dafür ein, dass der Energiekonzern mit innovativen Projekten und Ideen eine positive Rolle bei der Strukturentwicklung einnimmt. Trotzdem sollen Versprechen zur Absicherung der Kollegen eingehalten werden.

Eines der Projekte, das die Zukunft des Gewerbeparks Schwarze Pumpe sichern soll, soll direkt am Fuß der Kühltürme entstehen: Schulze, Steinbach und Rendez setzten am Dienstag den ersten Spatenstich für einen großen Batteriespeicher. Direkt neben dem Kraftwerk wird die Leag einen Speicher für rund 50 Megawatt Strom errichten. Produzieren Windkraftanlagen oder Solarzellen zu viel Strom, soll er dort zwischengespeichert werden und bei Bedarf wieder eingespeist werden. Die „Big Battery“ soll so langfristig für Netzstabilität ohne Kohlestrom sorgen. Der Speicher soll im Herbst 2020 in Betrieb gehen. Kostenpunkt: 25 Millionen Euro, unter anderem gefördert vom Land Brandenburg.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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