Umgang mit der AfD: Was wir von Österreich lernen können
Thomas Trutschel/photothek.net
Wie wurde der Wahlerfolg der AfD in Österreich aufgenommen?
In Österreich wurde ja viele Jahre lang diskutiert, warum es in Deutschland kein vergleichbares Phänomen zur FPÖ gibt. Landläufig wurde das einer besseren Geschichtsaufarbeitung in Deutschland und der Existenz der Linkspartei als Angebot für ProtestwählerInnen zugeschrieben. Jetzt sieht man, dass das Potenzial für eine rechte Partei durchaus vorhanden ist, es hat offensichtlich am Angebot „gefehlt“.
In deutschen Medien wird nun viel auf Österreich verwiesen. Das Land zeige, dass eine zu lange große Koalition extreme Parteien stark mache. Sehen Sie das auch so?
Nein, das glaube ich nicht. Seit dem Jahr 2000 hatten wir in Österreich immerhin sechs Jahre lang eine Koalition zwischen den Konservativen und der rechten FPÖ. Das war eine Regierung, die beinharte Politik für die Reichen und gegen die breite Mittelschicht gemacht hat, und im Nachgang einen riesigen Berg an Arbeit für die Staatsanwaltschaft und die Gerichte hinterlassen hat. Das hat nichts daran geändert, dass die FPÖ in den Umfragen bei 25 Prozent und mehr liegt.
Im Wahlkampf hat die AfD mit gezielten Provokationen gearbeitet. Wie sollten die Politiker anderer Parteien darauf reagieren?
Das ist eine schwierige Gratwanderung. Auf der einen Seite ist es die Pflicht jedes Demokraten und jeder Demokratin, sich hetzerischen Äußerungen vehement entgegenzustellen. Auf der anderen Seite darf man nicht aus den Augen verlieren, dass es hier um ein Heischen nach Aufmerksamkeit geht. Je mehr Provokation und je mehr Resonanz darauf, desto mehr Präsenz.
Die Parteien im Nationalrat haben bereits einige Erfahrung mit einer rechtspopulistischen Partei, der FPÖ. Was raten Sie der SPD: Wie sollte sie mit der AfD umgehen?
Die SPÖ hat in diesem Jahr ihren Umgang mit der FPÖ neu definiert. Das kategorische Ausschließen von Gesprächen über eine mögliche Koalition nach der Wahl gab der FPÖ die Möglichkeit, sich in eine Ecke zu stellen und zu jammern, dass das „Establishment“ sie und damit auch ihre WählerInnen ausgrenzen würde. Damit konnte sie sich auch vor einer Auseinandersetzung über die zentralen politischen Fragen – Bildung, soziale Sicherheit, die Schaffung und Verteilung von Wohlstand – drücken. Jetzt sagen wir: „Setzt euch mit uns an einen Tisch und dann schauen wir, ob sich eure Vorstellung der Gesellschaft mit der unseren deckt oder zumindest überschneidet.“ Dass wir hier relevante Gemeinsamkeiten finden, ist äußerst unwahrscheinlich, aber wir machen transparent, was uns inhaltlich unterscheidet und das bezieht sich auf sämtliche Politikbereiche.
In Österreich gehört die FPÖ inzwischen zum normalen Parteienspektrum, war sogar schon in der Regierung. Erwarten Sie einen solchen Normalisierungsprozess auch für Deutschland?
Das hängt wohl von der Entwicklung der AfD ab. Momentan schaut es so aus, als wäre die AfD ein rüpelhafte, polternde Chaospartie, die sich auch noch durch interne Streitereien zumindest eine Zeit lang selbst schwächen wird. Wir kennen das von der FPÖ, aber auch vom Front National. Man darf aber nicht darauf hoffen, dass sie dadurch von selbst von der Bildfläche verschwinden wird. Die Gefahr ist, dass der rechte Diskurs dominant wird, im Sinne einer Kulturalisierung der Sozialen Frage.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.