Traumergebnis für SPD-Spitzenteam zur Europawahl
Die SPD hat auf ihrer Europadelegiertenkonferenz am 2. Advent in Berlin ihre Kandidaten für die Europawahl 2019 gewählt. Auf Platz 1 der Liste wurde Bundesjustizministerin Katarina Barley mit 99 Prozent der Stimmen gewählt. Auf Listenplatz 2 erhielt Udo Bullmann, der Fraktionsvorsitzende der europäischen Sozialdemokraten im EU-Parlament, 97,4 Prozent Zustimmung.
Klingbeil: „Entscheidung über die Zukunft des Kontinents“
Die Europadelegiertenkonferenz ist nach den Worten von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der „Startschuss“ für die Europawahl, die „wahrscheinlich wichtigste Europawahl in der Geschichte der EU“. Am 26. Mai 2019 falle „die Entscheidung über die Zukunft des Kontinents“, so Klingbeil bei der Begrüßung. Europa sei ein Erfolgsprojekt, das Wohlstand, Freiheit und Frieden garantiere. „Die SPD hat dieses Projekt immer wieder vorangetrieben“, betonte der Generalsekretär. „Wir sind die Europapartei, und wir sind stolz auf das, was die SPD bisher geleistet hat.“
Europa sei die Antwort auf die soziale Frage ebenso wie auf die Herausforderungen durch den Klimawandel und die Migration. „Nicht weniger Europa sondern mehr“, sei nötig. Klingbeil warnte vor denen, „die Europa kaputt machen wollen“. Er nannte hier beispielhaft den Trump-Unterstützer Steve Bannon, der sich in den Europawahlkampf massiv einmischen will, die AfD und Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban. Gegen diese „Spalter und Hetzer“ werde die SPD „erbitterten Widerstand“ leisten.
Barley: „Wir brauchen ein soziales Europa“
Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley wurde mit kräftigem, langanhaltendem Applaus begrüßt, noch ehe sie mit ihrer Rede begann. Sie räumte ein, sie habe sich ihre Kandidatur „reiflich überlegt“, da sie im Wahlkampf weder „Lautsprecherin“ noch „Wadenbeißerin“ sei. Da die Menschen aber eher jemanden suchten, der zuhören könne, auf Augenhöhe mit ihnen sei und sie ernst nehme, halte sie sich für die richtige „Nummer 1 auf der Europaliste“.
Barley bezeichnete sich selbst als „Europäerin vom Scheitel bis zur Sohle“. Ihr Vater sei Brite, ihre Mutter Deutsche, sie selbst habe zwei Pässe. Dennoch müsse sie feststellen, dass die Akzeptanz für Europa schwinde. Deshalb müsse Europa die Menschen ansprechen. „Wir brauchen ein soziales Europa“, so Barleys Fazit. Die Forderung der SPD nach einem europäischen Mindestlohn und einer europäischen Arbeitslosenversicherung sei dafür zentral. „Faire Löhne überall in Europa“, das nütze auch deutschen Arbeitnehmern, weil sie dann nicht mehr den Dumpinglöhnen ausgesetzt seien. Europa müsse „Schutzschild und Auffangnetz für die Bürger“ sein.
Raus aus der Konfortzone
„Wir stehen an einem Scheideweg“, sagte Barley. Alle in Europa müssten sich entscheiden. Leidenschaftlich warnte sie vor den erstarkenden Rechtspopulisten: „Wir müssen alles dafür tun, damit diese Menschen niemals das Sagen bekommen in Deutschland und in Europa, das ist das Allerwichtigste!“, unterstrich sie unter großem Applaus. „Wir müssen in diesen Zeiten raus aus der Komfortzone“. Der Europa-Wahlkampf sei nicht „verzagt oder nur mit angezogener Handbremse“ zu gewinnen. „Wir brauchen alle Kräfte, die wir haben“, so Barley. Sie werde rausgehen aus der Komfortzone: „Ich bitte euch, das auch zu tun, lasst uns einen engagierten Wahlkampf führen!“ Stehende Ovationen folgten ihrer leidenschaftlichen Rede.
Kämpferisch zeigte sich auch Udo Bullmann, die Nummer 2 auf der Europaliste. Bullmann lobte den SPE-Spitzenkandidaten Frans Timmerman: „Wir haben gesehen, was du schaffen kannst“. Timmermans sei immer in der ersten Reihe gewesen bei den Auseinandersetzungen mit den Regierenden in Warschau und Budapest. „Er hat gekämpft, wo andere gekniffen haben“, so Bullmann. „Du bist unser idealer Spitzenkandidat, wir alle stehen hinter dir.“
Bullmann: „schleichende Orbanisierung“ der Konservativen
Bullmann warnte die konservative Europäische Volkspartei (EVP) vor einer „schleichenden Orbanisierung“. Die EVP, in der sowohl die CDU als auch Orbans Partei Mitglied sind, wisse offensichtlich nicht mehr, wo sie hingehöre. „Sind die Schwarzen noch zuverlässig, wenn die Braunen wieder marschieren?“, fragte Bullmann. Er erinnerte an den Tory-Chef im EU-Parlament, der zu ihm sagte: „Seien Sie doch ganz ruhig, die Nationalsozialisten kommen doch auch aus Ihrem Stall, sie waren doch vor allem Sozialisten.“ Das zeige, wie verbreitet rechtsradikale Propaganda mittlerweile sei. „Niemals lassen wir uns das gefallen!“, rief Bullmann. “Niemals mit der deutschen Sozialdemokratie! Niemals mit der europäischen Sozialdemokratie!“ Die Delegierten stimmten ihm mit stehenden Ovationen zu. Den Unterschied zwischen der SPE und der EVP beschrieb Bullmann so: „Europa ist für uns kein Projekt des Machterhaltes, für uns ist Europa ein Lebensgefühl: Freiheit.“
Die Sozialdemokraten müssten in ihrem Kampf für Europa „auch die Enttäuschten erreichen“. Man wolle, „den Menschen ein neues Bündnis anbieten, einen neuen Sozialvertrag“. Dazu gehöre der Kampf gegen Kinderarmut ebenso wie der Kampf für Arbeitnehmerrechte und gegen milliardenschwere Steuerhinterziehung.
Nahles: „noch nie so herausgefordert“
Bullmann zeigte sich optimistisch: „Unsere Parteien leben, sie wollen kämpfen, sie wissen was auf dem Spiel steht.“ Er rief den Delegierten zu: „Seid alle dabei! dann werden wir gewinnen!“ Die antworteten erneut mit stehenden Ovationen.
In einem anschließendem Gesprächsformat zwischen der SPD-Vorsitzenden und dem SPE-Spitzenkandidaten Timmermans sagte Andrea Nahles, „ich habe mich noch nie in meinem Leben so herausgefordert gefühlt“, wie bei dieser Europawahl. Europa sei ein Sehnsuchtsort für viele, die nach Europa kommen, aber ist es auch ein Sehnsuchtsort für die Europäer, die hier leben, fragte sie. Die Kluft zwischen Arm und Reich in Europa müsse kleiner werden.
Nicht zurück zu Misstrauen und Grenzzäunen
Angesichts der Attacken der Nationalisten müsse Europa weiter vorankommen. Entwicklung geht nicht mit Stillstand“, zeigte sich Nahles überzeugt. „Stillstand ist zu wenig, wenn die anderen angreifen.“ Leidenschaftlich warb sie für ein Europa ohne Grenzen, für ein Europa der Freiheit. „Ich will nicht zurückkehren in ein Europa mit Grenzzäunen und Misstrauen“, so die SPD-Vorsitzende.
Die Partei werde in den Europawahlkampf „alles reinwerfen, was wir an Kraft haben“. Das Europa-Budget sei genauso hoch wie bei der letzten Wahl. „Wir schicken unsere besten Leute nach vorne“, so Nahles. Sie erhalte von allen Teilen der Partei nur das eine Signal: „Alle wollen kämpfen.“
Timmermans: „Es geht um die Seele Europas“
SPE-Spitzenkandidat Frans Timmermans beschrieb die Ausgangslage vor der Europawahl als eine Dreiteilung. Die „Nationalisten von rechts und links“ wollten Europa zerstören, die Konservativen wollten es einfrieren, nur die Sozialdemokraten wollten Europa weiterentwickeln. Die Extremen machten viel Lärm, so Timmermans, aber die meisten Menschen wollten keinen Hass in der Gesellschaft und mit den Nachbarn.
„Diese Wahl geht um die Seele Europas“, zeigte sich der SPE-Spitzenkandidat überzeugt. „Wenn wir diese Wahl nicht gewinnen, wird es wieder ein jeder gegen jeden“ geben. Die Nationalisten brauchten Hass und Feinde außerhalb und innerhalb ihres Landes. Die Sozialdemokratie wehre sich gegen diesen Hass, seit 150 Jahren. „Wir müssen damit weiter machen, das ist unsere Aufgabe!“