Inland

„Transparenz und Beteiligung“

von Martin Jungmann · 26. April 2012

Das Internet verändert alles – auch die Politik. Spätestens seit den Wahlerfolgen der Piratenpartei hat sich das auch in den etablierten Parteien herumgesprochen. Der Frage, inwieweit digitale Strukturen die politische Willensbildung innerhalb der Parteien verändern oder verbessern können, diskutierten in Berlin der SPD-Abgeordnete Lars Klingbeil und Julia Schramm, die für den Bundesvorsitz der Piraten kandidiert.

Gleich zu Beginn der Diskussion stellte Klingbeil klar, dass die Piratenpartei keineswegs die Netzpolitik erfunden hat: „Wir haben uns schon die Frage gestellt, welche neuen Wege das Internet für die Politik eröffnet, bevor es die Piraten gab.“ Allerdings räumte der 34-jährige Abgeordnete aus Munster (Niedersachsen) ein, dass die Wahlerfolge der neuen Partei das Thema mehr in den Focus gerückt haben: „Das macht es für uns Netzpolitiker einfacher, Gehör zu finden.“

Dialogmöglichkeiten nutzen

Als praktisches Beispiel für gelebte digitale Demokratie innerhalb der SPD verwies Klingbeil auf einen einstimmig vom letzten Bundesparteitag angenommenen Antrag. Dieser wurde auf einer Internetplattform von etwa 600 Menschen gemeinschaftlich verfasst, beraten und eingebracht. 

Auch habe das Netz die tägliche Arbeit von Parlamentariern verändert: „Wir haben über Jahrzehnte als Politiker mitgeteilt. Wir haben über Pressemitteilungen, über Fernsehinterviews, über Radiointerviews mitgeteilt. Heute haben wir soziale Netzwerke und es gibt die Möglichkeit des Feedbacks. Das ernstzunehmen, in den Dialog einzutreten, auch diese Dialogmöglichkeit zu nutzen, das schafft eine Nähe und ermöglicht es uns, Ideen politische Prozesse hereinzuholen.“ 

Doch insgesamt legte Lars Klingbeil ein leidenschaftliches Bekenntnis zur repräsentativen Demokratie ab: „So sehr die Beteiligungsmöglichkeiten den politischen Prozess bereichern - es wird am Ende immer Leute geben müssen, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger haben, Entscheidungen zu treffen.“

Auch warf er die selten in der öffentlichen Diskussion gestellte Frage auf, ob eine direkte Demokratie über Internetstrukturen nicht auch eine ausschließende Wirkung haben könnte, beispielsweise gegenüber Menschen, die in Gebieten mit einer schlechten Netzversorgung leben oder einfach nicht mit Computern umgehen können oder wollen.

Transparenz vs. Datenschutz

Ihre Sicht auf das Internet und dessen Vorteile legte Julia Schramm dar: „Das Netz ist für uns ein Ort, ein Biotop. Es bietet die Möglichkeit, sich über große Distanzen zu vernetzen und es ist barrierefrei, bei uns kann sich auch eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern beteiligen, das ist in anderen Parteien nicht so.“

Doch auch Nachteile verschwieg die Piratin nicht: „Im Netz herrscht oft ein rauerer Umgangston und Diskussionsstil als in persönlichen Gesprächen Auch ist es nicht unproblematisch, dass Diskussionsbeiträge auch nach Jahren noch verfügbar sind. Da gibt es eindeutig ein Spannungsfeld zwischen Transparenz und Datenschutz.“ Auch räumte sie ein, dass manche Fragen nur schwer im digitalen hierarchielosen Diskurs zu lösen seien: „Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wie wir beispielsweise Minister benennen können.“

Autor*in
Martin Jungmann

ist freier Autor in Berlin.

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