Transformation: Wie das Saarland zum Musterland werden kann
IMAGO/BeckerBredel
Der saarländische Landtag hat beschlossen, einen Transformationsfonds in Höhe von rund drei Milliarden Euro einzurichten. Ist das viel für saarländische Verhältnisse?
Ja, das ist viel Geld, etwa 3.000 Euro pro Kopf im Saarland. Hochskaliert auf ganz Deutschland wären das etwa 250 Milliarden Euro. Aber es passt zur Größe der Herausforderung. Das Saarland ist durch die Klimatransformation besonders gefordert. Bei uns trifft die höchste Beschäftigungskonzentration aller Bundesländer im Automobilsektor und in der Stahlindustrie auf eine weit unterdurchschnittliche Finanzkraft.
Die verfassungsrechtliche Grundlage für den Transformationsfonds war, dass der Landtag das Bestehen einer außergewöhnlichen Notsituation durch den Energiepreisschock infolge des Krieges in der Ukraine feststellte und damit die Schuldenbremse außer Kraft setzte. Wie macht sich diese Notsituation bemerkbar?
Die außerordentliche Notsituation für das Saarland ergibt sich aus der Verschränkung der Klimatransformation mit dem Ukrainekrieg und dem Energiepreisschock. Die Transformation hin zur Klimaneutralität bis 2045 ist eh schon sehr fordernd, hätte sich aber ohne Energiepreisschock eher gleichförmig über die nächsten 22 Jahre vollzogen. Der Energiepreisschock beschleunigt die Transformation enorm, fast so als hätte man die CO2-Preise plötzlich sprunghaft angehoben. Das erforderliche Upgrade von Produktionsmethoden und Produktpalette erfolgt jetzt viel rascher.
Die entsprechenden Milliardeninvestitionen sind in erster Linie von der Privatwirtschaft zu stemmen. Aber sie bedürfen vielfach staatlicher Begleitung und Unterstützung. Dabei darf die Transformation der bestehenden Wertschöpfungsstrukturen in der Industrie nicht gegen neue Wertschöpfung zum Beispiel in der Digitalwirtschaft ausgespielt werden. Das würde die wirtschaftliche Entwicklung hemmen und den gesellschaftlichen Konsens auf den Weg zur Klimaneutralität gefährden. Die Transformation bestehender Branchen und die Entwicklung neuer Branchen muss also gleichzeitig gelingen und mit dem Transformationsfonds schaffen wir die Voraussetzungen dafür.
Was passiert in den kommenden Jahren mit den drei Milliarden Euro?
Der Transformationsfonds konzentriert seine Investitionsförderung auf drei Is: Industriepolitik, Infrastruktur und Innovationen. Einige Großprojekte zeichnen sich schon ab, zum Beispiel Investitionen in grünen Stahl und eine entsprechende Wasserstoffinfrastruktur, oder eine innovative Chipfabrik für die Automobilindustrie auf dem Gelände eines früheren Kohlkraftwerks. Aber es geht auch um die Transformation des Mittelstands, um innovative Start-ups, und um die Stärkung des Forschungs- und Wissenschaftsstandorts. Wir haben zum Beispiel mit dem CISPA das führende Forschungszentrum für Cybersicherheit. Klar ist auch, dass selbst der beschleunigte Strukturwandel Zeit braucht: Planungsvorläufe, Genehmigungsverfahren, Bautätigkeit und so weiter. Deshalb ist der Transformationsfonds insgesamt auf 10 Jahre angelegt.
Wird das Saarland damit zum Transformationsmusterland?
Angesichts der fordernden Ausgangslage ist die Klimatransformation im kleinen Saarland eine Lackmustest für das Gelingen der Transformation in Deutschland und Europa. Mit dem Transformationsfonds, mit substanzieller Unterstützung aus Berlin und Brüssel, mit einer tatkräftigen und innovativen Saarwirtschaft kann der Strukturwandel eine Erfolgsgeschichte für das Klima, für die Wertschöpfung, für gute Arbeit und eine gestärkte Finanzkraft im Saarland werden.
Die Opposition im Landtag hat kritisiert, der Transformationsfonds sorge für einen „Teufelskreis der Verschuldung“. Was entgegnen Sie dem?
Wer nur die Schulden sieht, wird nicht genug in eine erfolgreiche Transformation der Saarwirtschaft investieren. Wer aber umgekehrt nur auf die Investitionen schaut und die Schulden nicht im Blick hat, läuft Gefahr, die Staatsfinanzen zu ruinieren. Die Investitionen, die wir mit dem Transformationsfonds unterstützen, müssen sich am Ende rechnen in Form einer gestärkten Wirtschaftskraft ohne Klimazerstörung, besserer Arbeitsplätze und höherer Steuerzahlungen. Deshalb ist die Governance des Transformationsfonds so wichtig. Dazu zählen die parlamentarische Kontrolle und der hochkarätig besetzte Beirat. Trotzdem gibt es bei jeder Investition Risiken, aber das Risiko des Nichtstuns wäre für das Saarland viel größer.
Wie hilfreich ist es, das aus einer Position der Stärke heraus tun zu können, in der die SPD mit absoluter Mehrheit regiert?
Manchmal hat man Glück. Anke Rehlinger als erfolgreiche Wirtschaftsministerin und der SPD traute man bei der letzten Landtagswahl den Strukturwandel im Saarland zu und hat sie mit einem starken demokratischen Mandat ausgestattet. Und dieses starke Mandat erhöht unsere Handlungsfähigkeit im Hinblick auf den anstehenden Strukturwandel
Sie waren vorher Europa- und Bundespolitiker, sind jetzt auf Landesebene tätig. Ist das die Ebene, auf der sich die Transformation am besten gestalten lässt?
Großes entsteht immer im Kleinen. Dieser Wahlspruch des Saarlands ist eine schöne Kurzformel für eine Stärke des Föderalismus. Aber Föderalismus funktioniert natürlich am besten, wenn man die Ebenen zusammen denkt und nicht gegeneinander ausspielt. Da helfen die Vorerfahrungen in Brüssel und Berlin.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo