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Tracing-App: Warum sie erst Mitte Juni kommt und was die SPD fordert

Ursprünglich sollte eine App zur Kontaktnachverfolgung eine zentrale Säule im Kampf gegen das Corona-Virus sein. Nun verzögert sich deren Bereitstellung bis mindestens Mitte Juni. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken warnt schon jetzt vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bei der App-Nutzung.
von Jonas Jordan · 12. Mai 2020
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Noch Ende April hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine mögliche Corona-App als einen der „wichtigsten Schlüssel auf dem Weg in einen neuen Alltag“ bezeichnet. Doch die Bereitstellung einer Tracing-App, um die Kontakte von Infizierten im Kampf gegen das Corona-Virus digital nachvollziehen zu können, verzögert sich. Frühestens Mitte Juni soll es nun so weit sein. Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken sprach daher in einer Online-Pressekonferenz am Montag von „mehreren Versäumnissen des zuständigen Ministers“. Esken sagte: „Ich muss etwas staunen, dass die App auf Mitte Juni verschoben wurde.“

Esken gegen App-Anreize

Im Zusammenhang mit der geplanten Bereitstellung der Tracing-App sprach sich Esken klar gegen mögliche Positiv- oder Negativ-Anreize für Nutzer*innen aus. Diese hatte beispielsweise der CDU-Europapolitiker Axel Voss ins Spiel gebracht. Dieser hatte gefordert, Anreize zu schaffen, damit sich möglichst viele Bürger*innen auf die digitale Kontaktverfolgung einließen. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte er: „Wer eine solche App hat, sollte auch zuerst wieder ins Restaurant, ins Kino, ins Theater und ins Freibad dürfen.“ 

Die SPD-Vorsitzende und Digitalexpertin Esken erteilte dem eine deutliche Absage: „Ein freiwilliger Einsatz muss auch freiwillig bleiben.“ Das bedeute keinen Zwang, aber auch keine zusätzlichen Anreize. „Ich will nicht die Gesellschaft in diejenigen spalten, die die App im Restaurant vorzeigen können und diejenigen, die sie nicht installiert haben. In so einer Welt möchte ich nicht leben“, sagte Esken. Dennoch betonte sie die Notwendigkeit der digitalen Kontaktnachverfolgung: „Wir brauchen die App, aber wir brauchen einen Umgang damit, der Vertrauen erlaubt.“

50 Millionen müssten App installieren

Nach Schätzungen von Expert*innen müssten mindestens 60 Prozent der Bevölkerung die App installieren und nutzen, damit eine möglichst lückenlose Kontaktnachverfolgung digital möglich wäre. Das wären etwa 50 Millionen Menschen in Deutschland. Laut Esken gebe es zudem noch Fragezeichen, ob die geplante Bluetooth-Technologie genau genug sei. Der Vorsitzende des digitalpolitischen Vereins D64 Henning Tillmann hatte schon im April im Interview mit dem „vorwärts“ gewarnt: „Ich habe nichts gegen eine solche App. Die hohen Erwartungen, die in sie gesetzt werden, sind allerdings nicht gerechtfertigt. Da sind die Enttäuschungen bereits vorprogrammiert.“

Die aktuelle Planung der Tracing-App sieht vor, dass permanent Standortdaten des jeweiligen Smartphones via Blueetooth gesendet werden. Die App sammelt diese Daten anonym und kann den jeweiligen Nutzer*innen einen Hinweis senden, wenn sie mit einer infizierten Person potenziell Kontakt hatten. Allerdings lassen viele Smartphones, insbesondere iPhones, den dafür notwendigen permanenten Datenaustausch gar nicht zu. Das moniert auch Tillmann im Gespräch mit dem ZDF: „Aktuell ist es so, dass iPhone-Apps, die permanent auf Bluetooth zugreifen wollen, immer im Vordergrund laufen müssen.“

Bluetooth-Technologie genau genug?

Das würde allerdings bedeuten, dass die Tracing-App ununterbrochen aktiviert sein müsste. Die Nutzer*innen dürften weder ihr Smartphone sperren noch eine andere App aktiv nutzen. Eine Form der Anwendung, die bei erhofften 50 Millionen Nutzer*innen kaum praktikabel erscheint. Hinzu kommt: Wie beschrieben gibt es Zweifel, ob die Abstandsmessung via Bluetooth genau genug ist. Esken mahnte: Es müsse sichergestellt werden, dass die App Kontakte mit infizierten Personen nicht fälschlicherweise anzeige. Beispielsweise wenn jemand in einem Hotel im Nachbarzimmer übernachtete, es aber keinen direkten Kontakt gab.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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