Tod von Hans-Jochen Vogel: So erinnern seine Nachfolger*innen an ihn
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Das politische Deutschland trauert um Hans-Jochen Vogel. Der frühere SPD-Vorsitzende, Bundesminister und Oberbürgermeister ist am Sonntag im Alter von 94 Jahren in München gestorben. „Die SPD verliert heute nicht nur einen ehemaligen Vorsitzenden, sondern ein Vorbild an Anstand, Integrität und Verlässlichkeit“, erinnern die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an ihren Vorgänger. Er führte die SPD als Nachfolger Willy Brandts von 1987 bis 1991.
Walter-Borjans: „Er bleibt ein Wegweiser.“
„Hans-Jochen Vogel war zur Stelle, wann immer ihn die SPD gebraucht hat“, betonen Esken und Walter-Borjans. Bis zu seinem Tod sei er der Partei ein „wohlmeinender Ratgeber“ gewesen. Kaum eine Woche, in der nicht ein maschinengeschriebener Brief mit Anregungen oder Anmerkungen in der Parteizentrale einging. Vogels letztes Anliegen: eine soziale Bodenpolitik, zu der er sogar noch ein Buch verfasste. „Mehr Gerechtigkeit!“ lautete der prägnante wie eindeutige Titel.
„ Sein Engagement bis zuletzt sollte uns Auftrag sein, am Thema dran zu bleiben“, meint SPD-Chef Walter-Borjans. Hans-Jochen Vogel sei schon zu Lebzeiten mit all den Stationen seines Lebens und seiner Haltung „eine Legende“ gewesen. „So einer gerät nicht in Vergessenheit. Er bleibt ein Wegweiser.“
Lambrecht: Deutschland moderner und gerechter gemacht
Auch die SPD-Bundestagsfraktion, der Hans-Jochen Vogel von 1983 bis 1991 vorsaß, sei für ihn bis zuletzt „sein wichtigster Adressat“ gewesen, erinnert ihr aktueller Vorsitzender Rolf Mützenich. „Oft ungeduldig, aber mit einem Augenzwinkern begleitete er viele unserer aktuellen Themen und war uns in persönlichen Gesprächen, wie auch in Briefen ein guter und stets geistreicher Ratgeber.“ Vogel werde der Fraktion fehlen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erinnert an die gesellschaftlichen Reformen, die ihr Vorgänger in seiner Amtszeit von 1974 bis 1981 vorantrieb. „Auf seine Initiative hin wurde das bisherige Leitbild der Hausfrauenehe vom zeitgemäßen Modell einer partnerschaftlichen Ehe abgelöst. Gleichzeitig wurde das Scheidungsrecht modernisiert und die jahrzehntelange Benachteiligung von Frauen durch den neuen Versorgungsausgleich beendet“, sagt Lambrecht. „„In den sieben Jahren seiner Amtszeit hat Justizminister Vogel wesentlich dazu beigetragen, unser Land moderner und gerechter zu machen.“ Gleichzeitig habe er den Rechtsstaat gegen den Terror der RAF verteidigt.
Reiter: München wäre nicht so weltoffen und liebenswürdig
Vor seinem Wechsel in die Bundespolitik war Hans-Jochen Vogel zwölf Jahre lang (1960 bis 1972) Oberbürgermeister von München gewesen. „Ohne die visionäre Politik von Hans-Jochen Vogel wäre München nicht schon 25 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zu der weltoffenen, internationalen und liebenswürdigen Stadt, wie wir sie kennen, geworden“, erinnert Nachfolger Dieter Reiter. München und Deutschland verliere „einen großen Sozialdemokraten, einen scharfen Analytiker und leidenschaftlichen Politiker“, der nie vergessen habe, „für die Menschen Politik zu machen, die kein großes Einkommen, keine große Lobby hinter sich haben“.
„Mit seinem Tod verliere ich einen Freund und Berater, der immer einen klaren Blick auf die Herausforderungen in der Hauptstadt hatte“, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller über seinen Vorgänger. Vogel lenkte die Geschicke der damals noch geteilten Stadt vom 23. Januar bis 11. Juni 1981. „Obwohl seine Amtszeit nur kurz gewesen ist, hat der sozialdemokratische Politiker Vogel ganz in der Tradition Willy Brandts vieles für die geteilte Stadt und besonders für die Menschen in Ost und West geleistet“, so Müller. So habe er die „Berliner Linie der Vernunft“ gegenüber Hausbesetzer*innen geprägt, die wegweisend geblieben sei.
Kohnen: „Wir werden seinen Kampf fortführen.“
„Ich habe in den letzten Jahren sehr viel von ihm gelernt und werde ihn immer im Ohr haben, wenn es in Zukunft um Wohn-, und vor allem Bodenpolitik in unserem Land geht“, sagt die Vorsitzende der bayerischen SPD, Natascha Kohnen. Vogel führte den Landesverband von 1972 bis 1977 und forderte in dieser Zeit als Spitzenkandidat den bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel heraus.
„Er kämpfte mit moralischer Integrität für das Gemeinwohl und war immer glaubwürdig und geradlinig“, so Kohnen. „Und wir werden, das Versprechen steht, seinen Kampf unermüdlich fortführen.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.