Inland

Thorsten Schäfer-Gümbel: „Wir brauchen eine Mietenwende“

Die Situation am Wohnungsmarkt verschärft sich mehr und mehr. Damit sich sich Mieter Wohnen wieder leisten können, fordert die SPD einen Mietenstopp. Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel erklärt, wie der funktionieren soll.
von Karin Billanitsch · 7. September 2018
SPD-Vize Schäfer Gümbel und die SPD fordern einen Mietenstopp.
SPD-Vize Schäfer Gümbel und die SPD fordern einen Mietenstopp.

Im Kabinett hat die SPD gerade die Verschärfung der Mietpreisbremse durchgesetzt. Warum geht die SPD mit ihrem neuen Vorstoß zu einem Mietpreisstopp darüber hinaus?

Wir haben im Koalitionsvertrag wichtige Schritte für Mieterinnen und Mieter durchgesetzt. Wir investieren 2,5 Milliarden mehr in sozialen Wohnungsbau, schützen Mieterinnen und Mieter vor dem „Rausmodernisieren“ durch den Vermieter und Begrenzen die Modernisierungskosten, die auf den Mieter abgewälzt werden können. Zudem werden wird das Grundgesetz ändern, um in Zukunft überhaupt in der Lage zu sein, als Bundesregierung noch Beiträge zum sozialen Wohnen zu leisten. Das wäre sonst ab 2020 nicht mehr möglich. Das ist aus meiner Sicht sogar der wichtigste Punkt, den wir in dem Bereich durchgesetzt haben. All diese Maßnahmen sind wichtig, aber sie werden am Ende nicht ausreichen, denn die Lage am Miet-Markt erfordert weitere Maßnahmen. Für uns als SPD ist das schon lange klar.

Ein Quasi-Mietenstopp für fünf Jahre bei den Bestandsmieten ist im Grunde schon ein erheblicher Eingriff der öffentlichen Hand in den Mietmarkt. Warum ist das wichtig?

Wir brauchen eine Mietenwende. Die Explosion der Mieten, die wir in bestimmten Bereichen erleben, können viele Menschen nicht mehr bezahlen. Längst haben Verdrängungseffekte eingesetzt. Selbst Mieter mit mittleren Einkommen, die also keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, betrifft das. Den Mietern eine Atempause zu geben und diese Zeit zu nutzen, um Wohnungen zu bauen, damit wir Entlastung im Markt bekommen, dafür brauchen wir den Mietenstopp für fünf Jahre. Wir haben in der Finanzkrise massiv in den Bankensektor eingegriffen, um das Ersparte der Deutschen zu schützen. Wir sollten genauso mutige Maßnahmen ergreifen, um Mieterinnen und Mieter zu schützen.

Hoffen Sie, das im Hessen-Plan genannte Ziel, nicht mehr als ein Drittel des verfügbaren Einkommens mit dieser Maßnahme zu erreichen?

Der Mietenstopp ist eine notwendige Maßnahme, um Zeit zu schaffen, um für eine Entspannung am Wohnungsmarkt zu sorgen. Am Ende wird das Ziel, dass Menschen nicht mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Miete ausgeben, nur mit einem Mix von Maßnahmen erreicht werden: eine Bau-Offensive für bezahlbare Wohnungen, ein völlig anderer Umgang von Ländern und Bund mit Bau-Grundstücken, eine neue Bodenpolitik, erheblich längere Preisbindungen und der Schutz der Mieter vor Umwandlungen oder missbräuchlichen Eigenbedarfskündigungen. Die Sozialdemokratie muss viel mehr Verantwortung übernehmen. Der Wohnungsmarkt ist kein Markt wie jeder andere, weil Wohnen ein Grundrecht ist.

Läuft die SPD mit dem Konzept, das Sie jetzt vorgestellt haben, nicht Gefahr, dass Investoren weniger statt mehr bauen, also abgeschreckt werden?

Nein. Die Gefahr sehe ich überhaupt nicht. Fünf Jahre Mietenstopp, um die Mieten zu stabilisieren und derweil ein Bündel von Maßnahmen, um den Wohnungsbau anzukurbeln, sind auch im Interesse der vielen ehrlichen und gemeinnützig denkenden Vermieter. Bezahlbarer Wohnraum für alle ist auch eine Frage der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wir können nicht zulassen, dass Boden- und Immobilienspekulation die Menschen aus ihrem Zuhause vertreiben.

Wenn Sie erfolgreich sind bei der Landtagswahl, mit welchem Vorhaben würden Sie als Ministerpräsident beginnen, um den Wohnungsbau anzukurbeln?

Ich will in den ersten hundert Tagen 100.000 Quadratmeter Landesfläche zur Verfügung stellen für bezahlbares Wohnen. Das heißt, Boden nicht mehr zu verkaufen, sondern in Erbbaupacht zur Verfügung stellen. Ich werde in den ersten hundert Tagen diese zehn Hektar zur Verfügung stellen als allererste Maßnahme. Es werden natürlich viele Hektar folgen müssen.

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Karin Billanitsch

ist Leitende Redakteurin beim Vorwärts-Verlag und verantwortlich für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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