Inland

Thomas Kutschaty: „Politiker müssen Satire aushalten können“

Noch vor der Sommerpause will NRW-Justizminister Thomas Kutschaty Paragraf 103 des Strafgesetzbuches kippen. Jan Böhmermann könnte so nicht mehr für sein Schmäh-Gedicht auf Präsident Erdogan verurteilt werden. Unterstützung gibt es von Bundesjustizminister Heiko Maas.
von · 21. April 2016
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Herr Kutschaty, wie erleben Sie als Jurist die aktuelle Diskussion: Was darf Satire und was nicht?

Die Frage möchte ich gerne zurückgeben: Wer von uns würde das Gedicht von Herrn Böhmermann kennen, wenn Herr Erdogan sich nicht öffentlich aufgeregt hätte? Satire legt den Finger in die Wunde. Das müssen Politiker aushalten können, die politisch im Rampenlicht stehen und Macht ausüben.

Sie wollen Paragraf 103 des Strafgesetzbuches – welcher die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt – abschaffen. Wie genau sieht das Vorgehen dafür aus und rechnen Sie mit einem Erfolg?

Der Straftatbestand lässt sich mit einem Federstrich des Gesetzgebers abschaffen. Das geht sofort, wenn man nur will. Sollte es im Bund nicht zu einer solchen Einigung kommen, werden wir über den Bundesrat eine Initiative starten. Wenn es nach mir geht, kann das noch bis zur Sommerpause über die Bühne gehen. Was die Erfolgsaussichten angeht, wüsste ich nicht, welche sachlichen Argumente gegen meine Initiative sprechen.

Könnte es nicht Situationen geben, in denen dieser Paragraf sinnvoll ist?

Der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung geht über das Strafrecht, das alle Bürger schützt, weit hinaus. Empfindlichkeiten von ausländischen Staatsoberhäuptern stärker zu schützen als die Ehre von Krankenschwestern oder Feuerwehrleuten, ist nicht mehr zu rechtfertigen. Das sind Anschauungen aus vorigen Jahrhunderten.

Der Antrag könnte zu einem Zerwürfnis zwischen SPD und CDU in der Regierungskoalition führen. Warum war Merkels Entscheidung, Ermittlungen gegen Böhmermann zuzulassen, falsch?

Kanzlerin Merkel hat öffentlich erklärt, dass sie Paragraf 103 Strafgesetzbuch abschaffen will, aber erst im Jahre 2018. Wenn man die Sache wirklich ernst meint, ist jetzt die Zeit zum Handeln. Dann hätte auch Herr Böhmermann etwas davon.

Wie SPD-Vertreter darauf reagieren, dass gegen den Satiriker Jan Böhmermann ermittelt werden soll, lesen Sie hier.

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