Inland

Terrorabwehr: Georg Maier warnt vor Anschlägen von Nachahmer*innen

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) möchte Terroranschläge schon in der Planungsphase vereiteln – und Gefährder einsperren, bevor sie zur Tat schreiten. Die eigentliche Arbeit fängt für ihn aber schon bei Verschwörungstheorien und Jubel in Internetforen an.
von Benedikt Dittrich · 20. November 2020
Der Rechtsstaat sollte alle verfügbaren Mittel ausschöpfen, um Terroranschläge zu verhindern, sagt Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD).
Der Rechtsstaat sollte alle verfügbaren Mittel ausschöpfen, um Terroranschläge zu verhindern, sagt Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD).

 

Georg Maier, Sie haben jüngst von der Möglichkeit gesprochen, bekannte Gefährder*innen in „Präventionshaft“ zu nehmen. Wie ist das rechtlich überhaupt möglich?

Es gilt Anschläge zu verhindern. Dabei müssen wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen – von der Präventionsarbeit, die schon im Kindesalter ansetzen muss und langfristig wirkt, bis zur Ingewahrsamnahme von Gefährdern, die das letzte Mittel zum Schutz vor Straftaten ist.

Diese vorbeugende Bekämpfung von Straftaten durch Haft ist das letzte Mittel, weil es einen gravierenden Grundrechtseingriff bedeutet. Diese Ingewahrsamnahme ist nicht mit einer Untersuchungshaft vergleichbar, sondern eine Möglichkeit der Gefahrenabwehr. Sie ist bereits in vielen Bundesländern möglich.

In welchen Ländern zum Beispiel?

Beispielsweise in Thüringen und in Bayern. Als Sozialdemokrat ist mir aber wichtig, zu betonen, dass das nur das allerletzte Mittel ist und immer verhältnismäßig sein muss. Die vorliegenden Hinweise zu einer bevorstehenden Straftat müssen eindeutig sein. Es muss sehr sicher sein, dass jemand ganz aktuell eine schwere Straftat gegen Leib und Leben plant. Es ist mir wichtig, in der aktuellen Situation darauf hinzuweisen, dass es diese Möglichkeit gibt und wir diese in der Vergangenheit auch schon genutzt haben.

Damit erfasst man aber keine Person, die sich allein über das Internet radikalisiert und die den Behörden vor einem Angriff gar nicht bekannt ist.

Natürlich nicht. Um Gefährder, die sich online radikalisieren, frühzeitig zu erkennen, müssen wir andere Mittel einsetzen. Das betrifft übrigens nicht nur den islamistischen Terror, es gibt auch im rechtsextremistischen Bereich Gefährder.

Wir müssen noch stärker in die Internet-Foren vordringen, in denen eine Radikalisierung stattfindet. Dort werden Angriffe heroisiert, bejubelt und in letzter Konsequenz neue Anschläge geplant. Diese Kommunikation findet in Bereichen statt, wo man sie nicht unbedingt erwarten würde. Zum Beispiel auf Spieleplattformen und dazugehörigen Chaträumen. 

Auch Verschwörungstheorien spielen dabei eine Rolle, das haben wir aus dem Angriff in Hanau lernen müssen. Viele denken, der gesunde Menschenverstand verhindert, dass Menschen an so etwas glauben. Aber es ist eben nicht so – es fällt auf fruchtbaren Boden.

Sicherheitsbehörden warnen wieder vor einer höheren Bedrohungslange. Müssen wir also verstärkt mit islamistischen Anschlägen wie in Wien, Paris oder Dresden rechnen?

Man muss damit rechnen, dass Einzeltäter zuschlagen, die nur lose oder vielleicht auch gar nicht mit Terrororganisationen in Verbindungen stehen. Das perfide ist, dass der IS und andere das wissen, es ist Teil ihrer Strategie. Sie indoktrinieren diese Menschen über das Internet. Darüber hinaus bereitet es uns Sorge, dass es Nachahmungstäter gibt, die schon lange etwas im Kopf haben und sich vielleicht jetzt ermutigt fühlen.

Diese Gefahr muss man ernst nehmen. Terroristen wollen in unseren freiheitlich demokratischen Gesellschaften Unruhe, Angst und Schrecken verbreiten. Das hat in Zeiten der Pandemie sogar eine noch größere Wirkung.

Inwiefern spielt die Coronakrise dabei eine Rolle?

Die Menschen sind schon allgemein stärker verunsichert als in ruhigeren Zeiten. Und diese Verunsicherung lässt sich durch terroristische Angriffe noch steigern. Damit verfolgen die Attentäter das Ziel, unsere freiheitliche Demokratie zu destabilisieren. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, dass wir deutlich machen: Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir lassen uns nicht spalten. Unsere Demokratie ist wehrhaft.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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