Tarifverhandlungen: Warum bei der Bahn wieder Streiks drohen
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Zuletzt schienen sich die Deutsche Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) aufeinander zuzubewegen. Mitte Mai hatten sich beide Parteien im aktuellen Tarifstreik vor dem Arbeitsgericht Frankfurt auf einen Vergleich geeinigt. Damit war nicht nur ein 50-Stunden-Warnstreik abgewendet worden. Bahn und Gewerkschaft hatten sich auch darauf verständigt, zügig und konstruktiv miteinander zu verhandeln, um schnell einen Tarif-Abschlusses zu erzielen. Auch das Thema Mindestlohn war mit dem Vergleich gelöst worden.
Wesentliche Forderungen der EVG „weiterhin nicht erfüllt“
Nun stehen die Zeichen aber wieder auf einer Verhärtung des Konflikts: Nachdem die EVG am Dienstagabend ein Angebot der Bahn als „unzureichend“ und „sozial ungerecht“ zurückgewiesen hatte, brach die Bahn die Gespräche am Mittwoch ab. „Die Gewerkschaft zeigt kein Entgegenkommen und macht keine Lösungsvorschläge. Sie beharrt einfach stur auf ihren Ausgangsforderungen", kritisierte Personalvorstand Martin Seiler.
Ganz anders sieht das sein Gegenüber, EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch: „Das, was derzeit auf dem Tisch liegt, ist sozial ungerecht. Denn die vorgesehene prozentuale Staffelung benachteiligt gerade die unteren Lohngruppen, für die wir diesmal deutlich mehr herausholen wollen“, kritisierte er. Wesentliche Forderungen der EVG seien „weiterhin nicht erfüllt“. Die Bahn müsse ihr Angebot „umgehend neu ausrichten“.
„Friss oder streik – das ist nicht das Wesen einer Verhandlung“
Der Bahn-Konzern hatte zuletzt stufenweise zwölf Prozent mehr Gehalt für die unteren Lohngruppen, zehn Prozent für die mittleren und acht Prozent für die oberen angeboten. Hinzu käme eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2850 Euro bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 24 Monaten. Die EVG fordert dagegen zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro pro Monat mehr bei einer Laufzeit von nur zwölf Monaten.
„Von den Punkten, die wir besprochen hatten, taucht im aktuellen Angebot nichts mehr auf“, kritisierte Kristian Loroch in einem Pressegespräch am Mittwoch. Die Bahn handele nach dem Motto „friss oder streik – das ist nicht das Wesen einer Verhandlung“. Als kritischen Punkt sieht die EVG die Entgeltstruktur: Das Angebot der Bahn bedeute „immer noch 100 Euro weniger Zuwachs als in den oberen Gehaltsgruppen“, rechnete EVG-Vorständin Cosima Ingenschay vor. Für die unteren Gehaltsgruppen, die die Inflation ohnehin besonders hart treffe, bedeute das deutliche Verluste.
EVG will neue Streiks rechtzeitig ankündigen
Scharf kritisierten Loroch und Ingenschay am Mittwoch den Rückzug der Bahn vom Verhandlungstisch. „Wer keine Verhandlungen führen will, muss mit anderen Maßnahmen rechnen“, kündigte Kristian Loroch an. Noch deutlicher wurde Cosima Ingenschay. „Wir erwarten, dass die DB AG sich bewegt. Wir wissen sonst alle, was das bedeutet.“ Konkret vorbereitet habe die EVG neue Warnstreiks aber nicht. „Wir sind nicht angereist, um Streiks zu planen, sondern um zu verhandeln“, so Ingeschay. Die Planung brauche auch einige Tage Vorlaufzeit. In jedem Fall werde die Bahn neue Streiks aber „rechtzeitig ankündigen“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.