Tarifabschluss der IG Metall: Allseits verfügbar war gestern
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Lieber acht zusätzliche freie Tage statt mehr Geld: Die ersten Ergebnisse einer Umfrage unter Betriebsräten der IG Metall zeigen, dass 190.000 Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie im kommenden Jahr die Möglichkeit in Anspruch nehmen wollen, die ihnen nach dem im Februar erzielten Tarifabschluss zur Verfügung steht. In dem vorausgegangenen Tarifkonflikt kämpfte die Gewerkschaft nicht nur um Geld, sondern auch für mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit.
Tarifabschluss der IG Metall: Mehr Zeit oder mehr Geld?
Gegen das „Arbeitszeit-Mantra“ nach allseitiger Verfügbarkeit seitens der Arbeitgeber, so nannte es IG Metall-Chef Jörg Hofmann während des Tarifkonflikts. Heraus kam ein Tarifabschluss, der Beschäftigten ab 2019 die Wahl zwischen einem tariflichen Zusatzgeld oder mehr freien Tagen pro Jahr lässt. Plus einem Rechtsanspruch, die Arbeitszeit befristet auf bis zu 28 Stunden pro Woche für bis zu 24 Monate zu verkürzen. Bis Ende Oktober konnten die Ansprüche beim Arbeitgeber angemeldet werden.
Für Kinder, Angehörige und die Gesundheit
Nun zeigen die ersten Ergebnisse, die am Montag in einer Pressekonferenz in Frankfurt vorgesellt wurden, dass 190.000 Beschäftigte mehr Zeit statt mehr Geld wollen und dem Anspruch auf acht zusätzliche freie Tage einen Vorzug geben. Die meisten Anträge auf Umwandlung von Geld in Zeit stellten demnach rund 140.000 Schichtarbeiter. Den IG Metall-Vorsitzenden wundert das nicht. Starre Schichtsystemen und Belastungen durch Mehrarbeit und Sonderschichten seien in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, erklärt Hofmann Anfang der Woche in Frankfurt. „Die Kolleginnen und Kollegen brauchen dringend mehr zeitliche Freiräume - auch zum Erhalt ihrer Gesundheit“, sagte Hofmann. Aus der Umfrage geht zudem hervor, dass rund 40.000 Antragssteller die neue Regelung nutzen wollen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, 10.000 Beschäftigte, um Angehörige zu pflegen.
Eisenbahner als Vorreiter
Weiterhin wollen rund 8.000 Beschäftigte im kommenden Jahr die „verkürzte Vollzeit“ in Anspruch nehmen. Für Hofmann eine Möglichkeit, berufliche und familiäre Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen, verbunden mit der Sicherheit, später beruflich wieder voll einsteigen zu können.
Der Anspruch auf mehr selbstbestimmte Arbeitszeit liegt also voll im Trend. Schon der Tarifabschluss der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im Jahr 2016 ging diesen Weg. Die Mitarbeiter der Deutschen Bahn können seitdem wählen – zwischen 2,6 Prozent mehr Gehalt, sechs Tagen mehr Urlaub im Jahr oder einer Arbeitszeitverkürzung von einer Stunde pro Woche.
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Kerstin Tack wertet die am Montag vorgestellten ersten Befragungsergebnisse zum Tarifabschluss der IG Metall als ein Zeichen, wie wichtig den Beschäftigten freie Zeit ist. „Mehr Zeit für die Kinder, für die Pflege von Angehörigen, zur Weiterbildung, für das Ehrenamt oder für Hobbys, das trifft offensichtlich die Lebensrealität der Menschen im Land“, sagt sie.
Kerstin Tack: Parallele zur Brückenteilzeit
Sie zieht eine Parallele zu dem vor wenigen Wochen im Bundestag verabschiedeten Gesetz, das das Recht auf Rückkehr in die vorherige Arbeitszeit garantiert. „Die von der SPD im Deutschen Bundestag durchgesetzte Brückenteilzeit passt zu diesem Befund“, erklärt Tack. „Damit können Beschäftigte ab dem 1. Januar 2019 ihre Arbeitszeit vorübergehend reduzieren, mit anschließendem Rückkehrrecht auf Vollzeit. Die Teilzeitfalle, von der überproportional Frauen betroffen sind, wird damit abgeschafft. Das ist ein großer Erfolg, für den wir viele Jahre gekämpft haben.“
Tatsächlich hatte die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles schon in ihrer Zeit als Bundesarbeitsministerin für dieses Gesetz gekämpft. Es ermöglicht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ab 2019 in Betrieben ab 45 Beschäftigten eine befristete Teilzeit in Anspruch zu nehmen. Im Anschluss daran können sie wieder auf ihre ursprünglich vereinbarte Arbeitszeit zurückkehren. Dieser Anspruch ist nicht an bestimmte Gründe gebunden.
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.