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Tarifabschluss Bahn: Mehr Lohn oder mehr Freizeit?

Mehr Zeit oder mehr Geld – der Tarifabschluss der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) könnte wegweisend sein. Denn die rund 150.000 Mitarbeiter der Deutschen Bahn können selbst entscheiden, ob sie einen höheren Lohn oder mehr Freizeit haben wollen.
von Vera Rosigkeit · 14. Dezember 2016
Nach dem Tarifabschluss bei der Deutschen Bahn haben Mitarbeiter die Wahl, ob sie weniger arbeiten oder mehr Gehalt haben wollen
Nach dem Tarifabschluss bei der Deutschen Bahn haben Mitarbeiter die Wahl, ob sie weniger arbeiten oder mehr Gehalt haben wollen

Was wäre Ihnen lieber: ein höherer Lohn, mehr Urlaub oder doch lieber eine kürzere Wochenarbeitszeit? Die Mitarbeiter der Deutschen Bahn haben die Wahl – zwischen 2,6 Prozent mehr Gehalt ab 2018 (eine Erhöhung um 2,5 Prozent ab April 2017 bekommen alle), sechs Tagen mehr Urlaub im Jahr oder einer Arbeitszeitverkürzung von einer Stunde pro Woche.

Mitarbeiter haben die Wahl

Das ist ein Novum in der Geschichte tarifpolitischer Einigungen zwischen den Sozialpartnern. Novum deshalb, weil nicht eine Verabredung für alle gilt, sondern die Beschäftigten entscheiden. „Klar ist, dass nicht nur freie Tage gewährt werden, wie vom Arbeitgeber ursprünglich gefordert, sondern dass für alle EVG-Mitglieder ein echter zusätzlicher Urlaubsanspruch besteht. Und wer seine Arbeitszeit lieber um eine Stunde verkürzen will, kann das ebenfalls tun“, erklärte EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba. Sie machte deutlich, dass es eine solche Wahlmöglichkeit bislang noch nie gegeben habe.

Zukunftsweisend könnte dieser Tarifabschluss sein, weil das Thema Arbeitszeit auch in der gesellschaftlichen Debatte immer mehr in den Fokus rückt. Erst am Dienstag hatten DGB-Chef Reiner Hoffmann und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig bei einer familienpolitischen Tagung in Berlin mehr Flexibilität für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefordert. Dazu zählten die Möglichkeiten, Arbeitszeit individueller gestalten und Erwerbsverläufe stärker an die Bedürfnisse der Beschäftigten anpassen zu können, sagte Hoffmann. Flexiblere Arbeitszeitmodelle müssten jedoch im Sinne der Beschäftigten verhandelt und nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit verordnet werden, mahnte der SGB-Chef an. Damit erteilte er einer einseitigen Interpretation von Flexibilität vonseiten der Arbeitgeber eine Absage.

Im Wandel: Ansprüche an Arbeitszeit

Das Thema Arbeitszeitflexibilität ist aber auch Schwerpunkt des von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles vorgelegten Weißbuches Arbeiten 4.0. Die Digitalisierung der Arbeit bringe große Veränderungen mit sich, so würden von den Beschäftigten beispielsweise mehr Flexibilität, aber auch mehr  Eigenverantwortung erwartet, so Nahles. Da Flexibilität für manche Unternehmen ein „Feigenblatt sei, um Tarife zu umgehen oder das Arbeitsrecht zu unterlaufen“, forderte sie bei der Vorstellung ihres Konzepts zur Zukunft der Arbeit im November in Berlin zugleich mehr Sicherheit und Verlässlichkeit.

Mit einem Arbeitszeitdialog will die SPD-Politikerin einen Konsens finden und schlägt ein Wahlarbeits-Gesetz vor. Darin enthalten: ein Recht der Beschäftigten, ihre Arbeitszeit den Lebensphasen anzupassen sowie klare Regeln für den Arbeitsschutz.

 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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