Inland

Svenja Schulze: Umweltpolitik muss sozial gerecht sein

Klimawandel, Glyphosat, Kohleausstieg und Diesel-Skandal – die neue SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze muss viele heiße Eisen anfassen.
von Vera Rosigkeit · 30. April 2018
Svenja Schulze
Svenja Schulze

Sicherheit geht vor, sagt Svenja Schulze. Gerade steigt sie aus einem fahrerlosen Minibus. Es ist die erste Fahrt auf dem Gelände der Berliner Charité und ihre erste Amtshandlung als Bundesumweltministerin. Gemeinsam haben Charité, Berliner Verkehrsbetriebe und das Land Berlin das Modellprojekt „Stimulate“ ins Leben gerufen: Künftig werden auf dem Campus des Virchow-Klinikums und der Charité die ersten autonomen Minibusse rollen. Elektrisch angetrieben, versteht sich. Mit 3,2 Millionen Euro wird das Pilotprojekt unterstützt.

„Im Verkehrssektor gibt es viel zu tun“

Svenja Schulze beruhigt: Ein Risiko wie bei dem tödlichen Uber-Unfall in den USA schließt sie aus. „Wir erproben in sehr langsamen Schritten, in ganz anderen Geschwindigkeiten“, sagt sie. Sicherheit habe höchste Priorität. Man wolle mehr über Elektromobilität erfahren, auch Akzeptanzforschung betreiben, erklärt Schulze. Mit autonomen Minibussen könne man beispielswiese die Nutzung von Verkehrsmitteln so verändern, dass mehr Menschen auf Autos verzichten würden. Denn: „Im Verkehrssektor gibt es viel zu tun, sowohl beim Klimaschutz als auch beim Thema Saubere Luft.“

Die Themen Umwelt- und Klimaschutz werden in den kommenden dreieinhalb Jahre auf der Agenda der gebürtigen Neusserin stehen, die über die Schulpolitik in die SPD kam. „Wir sollten in der Schule einheitliche unpraktische Sportkleidung tragen“, erinnert sie sich. Für sie ein großer Unsinn, den sie nicht mitmachen wollte. „Ich wollte, dass es fairer zugeht.“ Soziale Gerechtigkeit sei das Thema, dass sie bis heute mit der SPD verbindet. Bereits nach dem zweiten Semester ihres Studiums an der Ruhr-Universität in Bochum war sie AStA-Vorsitzende. Parallel dazu war Schulze Juso-Vorsitzende von Nordrhein-Westfalen, später im Landesvorstand ihrer Partei.

Durch Zufall in die Politik

Im Anschluss an eine kurze Runde im Parlament – „da war ich noch sehr jung“ – arbeitete die heute 49-Jährige in einer Unternehmensberatung. „Ich habe vor allem im öffentlichen Bereich beraten“, erzählt sie. Es sei für sie wichtig gewesen, eine Berufstätigkeit ohne Politik zu haben. Denn politische Karrieren seien nicht planbar. Ihre Rückkehr in die Politik war Zufall. In ihrer damals neuen Heimatstadt Münster sei sie gebeten worden, für das NRW-Landesparlament zu kandidieren, auch wenn die Chancen auf Erfolg schlecht stünden. Eine Fehleinschätzung, wie sich herausstellte, denn über die Landesliste zog Schulze 2005 dann doch in den Landtag ein.

Nun muss ausgerechnet eine Politikerin aus NRW den Kohleausstieg organisieren. Für Schulze kein Konflikt. Auch in ihrem Heimatland sei klar, dass ein Enddatum für Kohle gebraucht werde. Nur müsse das ein geordneter Prozess sein, ist sie überzeugt. „Wir brauchen Perspektiven für die Menschen in der Region. Vor allem für ihre Kinder und Enkelkinder, die wollen arbeiten“, betont sie. Die nun eingesetzte Kommission soll Zukunftspläne für die Regionen ausarbeiten. Der Vorteil: Diese Regierung habe ja auch das Geld dafür. 1,5 Mil­liarden Euro werden für die Strukturentwicklung zur Verfügung stehen.

Die grüne Frage ist längst rot

Das macht die Herausforderung ihres Amtes sichtbar: Wie bringt man die Umweltpolitik so nach vorne, dass sie von den Menschen akzeptiert wird. „Die grüne Frage ist längst eine rote Frage geworden“, sagt Schulze. Die Frage der sozial en Gerechtigkeit müsse in der Umweltpolitik mitgedacht werden.Ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbart ist der schnellstmögliche Ausstieg aus der Glyphosat-Nutzung in der Landwirtschaft. Ein Thema, das an den Stammtischen der SPD angekommen sei. „Das Insekten­sterben beunruhigt die Menschen.“

Auch zum Dieselskandal findet sie klare Worte: Menschen hätten in gutem Glauben Dieselfahrzeuge gekauft. Nun müssen sie feststellen, dass sie nicht so umweltfreundlich seien wie angekündigt, sondern für einen großen Teil der Verschmutzung in den Städten mitverantwortlich. Schulze: „Das ist zum Teil Betrug gewesen. Jedenfalls haben die Hersteller wissentlich Autos mit viel zu hohem Schadstoffausstoß an ihre Kunden verkauft. Deshalb müssen sie nachrüsten, die Verbraucher müssen geschützt werden.“ Wer wohne an den Straßen, die besonders belastet seien? Das seien ja nicht die Menschen, die es sich leisten könnten, woanders hinzuziehen.

Schulzes Ernennung zur Bundesministerin galt als Überraschung. Was in Berlin gerne vergessen werde, bemerkt Schulze: Sie sei bereits sieben Jahre lang NRW-Wissenschaftsministerin mit einem 8,4-Milliarden Euro-Etat gewesen – verantwortlich für 37 Hochschulen mit 120.000 Mitarbeitern und mehr als einem Viertel aller Studierenden in Deutschland. Kein kleines Ministerium, sagt Schulze. „Da bringe ich eine Menge Erfahrung mit.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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