Nach dem Abschuss von MH 17 war die Empörung im Westen groß. Von einer „Zeitenwende“ war die Rede, von „ernsten Konsequenzen“, von der „Stunde der Wahrheit“ für Putin. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an das gestrige Treffen der EU-Außenminister. Doch die Minister entschieden nicht, sie vertagten sich.
„Empörung ja, Konsequenzen nein“, bilanziert Spiegel-online. „Drohen, drohen – nur nichts tun“, kommentiert die Süddeutsche Zeitung. Und „Bild“ fragt: „Steht EU jetzt nur noch für Empörend Untätig?“
Wenn Worte und Taten nicht zusammenpassen, geht Glaubwürdigkeit verloren. Das zeigt das Beispiel Putins: Er beteuerte vor der Weltöffentlichkeit, keine russischen Soldaten auf die Krim geschickt zu haben. Um kurze Zeit später genau das zuzugeben. Putin beteuert, die prorussischen Separatisten in der Ost-Ukraine nicht zu unterstützen, nicht mit Geld, nicht mit Waffen, nicht mit Personal. Selbst in Russland wissen die Menschen, dass das die Unwahrheit ist.
Europa liefert Moskau weiter Waffen
Doch auch die EU ist in Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die EU-Staaten verurteilen die Waffenlieferungen Moskaus an die Separatisten, liefern aber zur gleichen Zeit selbst Waffen an Russland. Paris will weiterhin zwei High-Tech-Flugzeugträger liefern. Und ausgerechnet London, dass sich darüber wortreich empört und schon im März verkündete, keine Waffen mehr an Russland zu verkaufen, mit denen die Separatisten unterstützt werden können, liefert weiterhin Scharfschützengewehre, Munition und Panzerwesten. Das zerstört Glaubwürdigkeit.
So könnte es auch in der Sanktionsfrage kommen. Wenn die EU weiter Sanktionen ankündigt, aber sie nicht beschließt und umsetzt. Leere Drohungen beeindrucken niemanden. Im Gegenteil, sie schaden. Nicht nur der eigenen Glaubwürdigkeit, sondern auch den Werten, für die Europa steht: Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung.
Sanktionen der EU? Putin weint – vor Lachen
Wie sehr die Glaubwürdigkeit Europas bereits gelitten hat, zeigt folgender Witz: „Nach den Drohungen der EU mit Sanktionen gegen Russland ist Präsident Putin in Tränen ausgebrochen – vor Lachen.“
Sicher, es ist leichter zu reden als zu handeln. Aber es ist keine gute Politik. Das gilt auch für jene Abgeordneten der Union, die jetzt darüber fabulieren, ob die Fußball-WM 2018 in Russland stattfinden solle. Ausgerechnet der für Wirtschaft zuständige Fraktionsvize Michael Fuchs findet, eine WM-Neuvergabe wäre wirkungsvoller als Wirtschaftssanktionen. Sie wäre vor allem angenehmer für den Wirtschaftsflügel der Union. Und für die Politik, weil man so der FIFA den schwarzen Peter zuschieben kann.
„Jetzt vier Jahre im Voraus eine Debatte über die nächste Fußball-Weltmeisterschaft zu führen, halte ich nicht für besonders klug“, sagt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Doch es ist nicht nur unsinnig, es ist gefährlich. Weil es die Politik des Redens statt Handelns fortsetzt. Und die zerstört auf Dauer jede Glaubwürdigkeit.
Die Stunde der Wahrheit ist gekommen: nicht nur für Wladimir Putin, sondern auch für die Europäische Union.