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Studie: Warum die Rente mit 67 zu einem größeren Armutsrisiko im Alter führt

Nicht alle halten durch – eine Studie des DIW zeigt, wie die Rente mit 67 Ungleichheiten verstärkt und das Armutsrisiko im Alter erhöht. Besonders betroffen: Geringqualifizierte, Frauen und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen
von Vera Rosigkeit · 17. April 2019

Es gibt unterschiedliche Wege, die Kosten des demografischen Wandels zu bewältigen. Eine davon ist die Anhebung des Renteneintrittsalters. Aber Vorsicht: Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass die Rente mit 67 sozialpolitische Risiken mit sich bringt. Laut Studie sind eine höhere Ungleichheit und ein größeres Armutsrisiko im Alter der Preis für eine längere Lebensarbeitszeit.

Rente mit 67 verstärkt Ungleichheit

„Menschen, die hochgebildet sind und in stabilen Beschäftigungsverhältnissen stehen, können meistens ohne größere Probleme ihre Erwerbszeit ausdehnen“, sagt Rentenexperte Johannes Geyer aus dem DIW-Forscherteam. Ganz anders sehe es bei Menschen mit geringerer Bildung, Menschen in manuellen Berufen und mit gesundheitlichen Einschränkungen aus. „Sie haben grundsätzlich Probleme, bis zu dieser höheren Altersgrenze weiter am Arbeitsmarkt aktiv zu sein und nicht in einem prekären Übergang zu landen.“

Weiterhin existiere ein großer Unterschied zwischen gesetzlich festgelegtem Regelalterseintritt und dem tatsächlichen Renteneintritt. Und das Risiko, nicht durchzuhalten, sei für Beschäftigte mit mittlerem und niedrigerem Bildungsabschluss deutlich höher.

Größeres Armutsrisiko im Alter

Generell wird nach Schätzungen des Forscherteams das tatsächliche Renteneintrittsalter in den kommenden Jahren steigen: Bei eher höher gebildeten Personen um bis zu zwei Jahren allerdings deutlich stärker als bei Personen mit geringerer oder mittlerer Bildung mit maximal bis zub 1,4 Jahren. Für sie ist damit der frühere Erwerbsaustritt mit größeren Einkommenseinbußen verbunden, denn sie haben nicht nur kürzer eingezahlt, sondern müssen zusätzlich Abschläge in Kauf nehmen.

Unterschiede zeigen sich auch in der Erwerbsquote bei Beschäftigten im Alter zwischen 60 und 67 Jahren: Während über 60-jährige Männer mit rund 80 Prozent noch beschäftigt sind, sind Frauen nur noch zu 65 Prozent im Erwerbsleben aktiv. Die niedrigste Erwerbsquote liegt bei Personen mit schlechtem Gesundheitszustand.  Zudem erfolgen 40 Prozent aller Rentenzugänge nicht aus einer Beschäftigung, sondern aus der Erwerbslosigkeit heraus, insbesondere bei Frauen. „Die haben sich schon vorher aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen und gehen dann in Rente“, so Geyer.

Rente mit 70 keine sinnvolle Option

Für die DIW-Forscher zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die finanzielle Belastung von Beschäftigten, die nicht bis 67 Jahren arbeiten können oder die wenig eingezahlt haben, durch gezielte Maßnahmen begrenzt werden müssen. Die deutlich verbesserte Absicherung im Falle einer Erwerbsminderung ist für sie ein überfälliger Schritt, erklären sie. Und auch die derzeit diskutierten Vorschläge zur besseren Absicherung bei geringerem Verdienst würden in eine ähnliche Richtung gehen.

Auch SPD-Politiker Ralf Kapschack sieht im Vorschlag einer Grundrente ein wesentliches Instrument, um die Einkommensungleichheit im Alter abzufedern. Einer weiteren Anhebung des Rentenalters erteilt der Bundestagsabgeordnete eine klare Absage: „Das sei keine sinnvolle Option“. Vielmehr müsse es Ziel sein, „dass die Menschen bis zum Renteneintritt gesund arbeiten können. Dafür haben wir mit dem Flexirentengesetz aus der vergangenen Wahlperiode, das u.a. einen Ü-45 Gesundheitscheck vorsieht, bessere Voraussetzungen geschaffen“, erklärt er. Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen jedoch vorzeitig in Rente gehen müssen, müssten vor Altersarmut bewahrt werden, fordert Kapschack. „Für  Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner haben wir da einiges auf den Weg gebracht. Das reicht aber noch nicht.“

Auch die Forscher des DIW sehen ein weiteres Anheben der Altersgrenze eher kritisch, damit würde das Risiko der Altersarmut zunehmen. Geyer: „Wir werden dann eine noch höhere Polarisierung beim Rentenzugang sehen. Menschen müssen dann erwerbstätig bleiben, aber können es eigentlich nicht.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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